http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1953-01/0013
hopfe, die nicht nur mir, sondern auch anderen Vogelfreunden durch ihr melodisches
„hup, hup" und durch ihr schönes Gefieder viel Freude machten.
Eines Tages trug der Baum das Totenzeichen, das weiße Kreuz. Ich stellte
mich zunächst dumm und ermöglichte so den Vögeln noch eine Brut. Dann
aber kam eine scharfe behördliche Mahnung und der Baum mußte gefällt
werden. Nun sind die nesttreuen Hopfe heimatlos, ich sah sie nicht wieder.
Auf ähnliche Weise verlieren Sumpf- und Blaumeisen ihre Niststätten;
freilich kann man durch Aufhängen von Nisthöhlen helfen.
Wir wollen nun den Forstbehörden und Waldbesitzern keine Vorwürfe
machen, daß auch sie die Bäume mit hohlen und morschen Stellen schonungslos
fällen und dadurch den Waldmeisen (Kohl-, Tannen- und Haubenmeise;
der muntere Kleiber wäre noch hinzuzurechnen) das Leben sehr erschweren.
Wir wissen, daß aus unseren Wäldern das Menschenmögliche herausgeholt
werden muß, wir sehen auch mit Befriedigung, daß am Wald- oder Dorfrand
eine alte Eiche, Erle oder Linde stehen bleiben darf. Ein alter Baum, der keinen
Sägewerksbesitzer mehr freut, wirkt malerisch und gewährt unsern
Höhlenbrütern Quartier. Der große Buntspecht zimmert mehr Höhlen als
er braucht und versorgt dadurch auch einige Meisenfamilien. Daß die Forstbehörde
seit Jahren auch künstliche Nisthöhlen aufhängt und diese kontrollieren
läßt, ist eine besonders erfreuliche Tatsache.
Weniger erfreulich ist das Kapitel, das wir jetzt anschneiden wollen. Wir
haben in der Hauptsache von Höhlenbrütern gesprochen, von Meisen und
Wiedehopfen aber noch zu wenig von den Vögeln, die im Buschwerk, in
Hecken und Feldgehölzen nisten. Hecken von Schwarzdorn, Wildrose, Hartriegel
, Berberitze und Brombeer sind der schönste Schmuck der Landschaft,
sie unterbrechen eintöniges Wiesen- und Ackerland aufs Angenehmste und
sie zieren die steilen, ungenutzten Raine unserer Reben. Wir kennen Weinberge
, die im Frühjahr von einem zarten, weißen Schleier der Schlehenblüte
überzogen sind und wo dann der Sang des Rotkehlchens und der Dorngrasmücke
lieblich aus dem Buschwerk hervortönt. — Auch die kleinen Wasserläufe
, die unsere Feldmark durcheilen, haben ihre Begleitpflanzen, es sind
hauptsächlich Erlen- und Haselbüsche, die dort ein reiches Vogelleben ermöglichen
. Dort wird man die Mönchsgrasmücke hören, einen Sänger, den
wir lieber bloß Mönch nennen, seiner schwarzen Kopfplatte wegen (das
Weibchen hat einen braunen Oberkopf). Amseln, Würger, Stare, Hänflinge
und Elstern werden auch in der Nähe sein. Wenn Erlen, Eschen und Hasel-
sträucher am Bächlein allzu groß werden, und die benachbarten Wiesen beschatten
, kann man's dem Bauer nicht verübeln, wenn er die größten Bäume
und Sträucher fällt, er gewinnt dadurch etwas Holz und Wellen. Aber warum
rottet er gleich die ganze Pflanzengenossenschaft aus? — Gewiß, Hasel und
Erlen wachsen bald wieder durch Stockausschläge, aber mehrere Jahre
bleibt das Landschaftsbild gestört und allerlei Tiere sind heimatlos.
Vor einigen Jahren habe ich einer Bäuerin Vorwürfe gemacht, weil sie
eine Hecke, die sich etwa 200 m an einem winzigen Bachlauf hinzog, vernichten
ließ. Keine Mähmaschine, kaum eine Sense wäre an die Böschungen
des vertieften Wässerleins gelangt, aber die Hecke mußte weg — aus Sauberkeitsgründen
. Sie bestand aus Brombeer, Heckenrose und Hartriegel und
in ihr nisteten der Goldammer*), der Zaunammer, das Rotkehlchen und der
*) Anmerkung: Den Lesern ist das Wort „Der Goldammer" vielleicht nicht geläufig
. Der große Vogelforscher Heinroth wendet für alle Ammerarten den
männlichen Artikel an, und mit vollem Recht, denn E r singt, E r fällt uns auf.
Und so geht es mit der Lerche, d i e Lerche fällt uns kaum auf, E r erhebt sich
9
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1953-01/0013