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Mit den Dreißigerjahren des 18. Jahrhunderts begannen die Verfolgungen
nachzulassen. Die Aufklärungszeit brachte den Täufern die Erleichterung. Doch
war ihre Zahl bis dorthin schon arg zusammengeschmolzen. Im Oberland waren
kaum mehr welche vorhanden; im Emmental saßen noch wenige Familien um
Langnau herum. Der bernische Aargau hatte seit 1726 keine Wiedertäufer mehr.
Der Hauptteil war ausgewandert. Unter diesen finden sich folgende Namen:
Glur, Jäggi, Schärer, Dettwyler, Welti, Steiner, Hunziker, Hauri, Müller, Bachmann
, Roth, Hersberger, Berchtold,10) Friedli, Namen, wie sie in jener Zeit
auch bei den Einwanderern ins Markgräflerland vorkommen.
Die badische Regierung und die meisten Stände im Reich duldeten die
Täufer. Zwar hätten sie nach kaiserlichen Erlassen als gefährliche Leute und
Sektierer verfolgt und ausgetrieben werden müssen; aber man ließ sie gewähren,
weil man sie „zu cultivirung des ackerbaus und andern Feldgeschäften vor
andern vnderthanen als geschickt vnd fleyßig erachtete".11) Ja, es wurde ihnen
als Reformierten — die Kirchenbücher nennen sie irrtümlich meist „Calvinisten"
— sogar die Heirat im lutherischen Markgrafenland gestattet. Und das wollte
allerhand heißen.
Die Kirchenbücher des Markgräflerlandes gebrauchen niemals den Begriff
oder den Namen „Täufer" oder einen andern, der darauf schließen ließe, mit
Ausnahme des Dorfes Maulburg, wo 1730 und 1745 Wiedertäufer als solche
genannt sind und als Verstorbene sang- und klanglos in einer abgesonderten Ecke
des Friedhofes als „Separatisten" verscharrt werden. Auch treten Gruppen von
Eingewanderten in Erscheinung, deren Zirkel ein merkwürdiges Gemeinschaftsgefühl
aufweisen, so z. B. die Bernbieter auf dem Hof Wangen bei Thiengen
(b. Freiburg i. Br.) und die auf dem Gutnauer Hof vor Neuenburg am Rhein,
die miteinander, trotz erheblicher Entfernung, in enger Verbindung stehen.
Vielleicht haben wir in ihnen solche Taufgesinnte zu erblicken. Nachrichten aus
Basler Missiven verstärken die Wahrscheinlichkeit vom Vorhandensein ausgewiesener
Täufer. Dagegen wird einmal ein Flüchtling aus der Schweizerischen
Bauernrebellion offen angegeben. Wir dürfen daher den Schluß ziehen, daß
unter den Schweizer Einwanderern nach dem 30jährigen Krieg sich sowohl Teilnehmer
am Leuenbergeraufstand als auch Wiedertäufer befunden haben. Daß sie
Grund hatten, die Ursache ihrer Zuwanderung mit Rücksicht auf etwaige Folgen
zu verschweigen, wird niemand bezweifeln.
3. Als letzte Erscheinung sind noch zu erwähnen die Deserteure von
Schweizerregimentern, die im Solde des Kaisers längs der Rheingrenze
und im südlichen Schwarzwald standen. Da die Bezahlung schlecht war,
rissen viele Soldaten aus. Abgedankte traten hinzu. Manche von ihnen wurden
durch Heirat im benachbarten Markgräflerland seßhaft.
Aus welchen Schweizer Herrschaften kamen nun
diese Auswanderer?
Bern haben wir schon genannt, auch Basel, das in zweiter Linie hinzutritt.
Dann folgen Zürich,12) Luzern, Schaffhausen, Solothurn, Thurgau, Glarus,
Wallis, Graubünden und Genf. Die Urkantone fehlen ganz. Daneben finden
sich auch Zuzüger aus Tirol und Sachsen (Erzknappen), Krämer aus Savoyen
und Burgund, Einwanderer aus der Grafschaft Mömpelgard (Montbeliard),
10) Hans Berchtold zu Dürnen ebenso. 1778. Juni 15.
") GLA. Handschriften. Nr. 563.
12) Hier war der „Wädenswiler Handel" vom Jahre 1646, einem Vorläufer des
Schweizer Bauernkrieges vom Jahre 1653, die Ursache der ersten Einwanderung in die
Kurpfalz. Mannheimer Geschichtsblätter. 25. Jahrgang. 1924.
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