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loren zu gehen schien, und zwar an das neu erblühte Herzogtum Karls des
Kühnen von Burgund. Die Burgundische Pforte war zum Kreuzungspunkt von
vier bedeutenden Machtgebieten geworden, deren Interessensphären sich hier
überschnitten. Saone- und doubsaufwärts stieß die burgundische Herrschaft
vor mit reichen Mitteln und dem starken Willen zur Großmachtstellung, vom
Rhein her wehrte sich Habsburgs sinkende Kaisermacht, moselaufwärts griff
das Herzogtum Lothringen bis an den Rand der Vogesen, und im Süden stand
die Eidgenossenschaft vom Gotthard und den Jurapässen bis zur Burgundischen
Pforte in des Reiches bedrohter Flanke als eigene Macht auf erobertem Boden>
jedoch auch innerhalb des Reichsgefüges. Die Rolle von Pufferstaaten zwischen
den sich überschneidenden Machtlinien spielten die württembergische Grafschaft
MÖmpelgard und das Bistum Basel. In unwürdigem Schacher mit Land und
Volk zur Erlangung einer Summe von 50 000 Gülden vom reichen Burgunderherzog
ließ sich der Herr der österreichischen Vorlande, Herzog Sigismund,
dazu verleiten, seinen Besitz an der Pforte, im Elsaß und auf dem Schwarzwald
Karl dem Kühnen als Pfand zu verschreiben, worauf dieser hier den berüchtigten
Peter von Hagenbach als Vogt einsetzte. Die verhaßte welsche Herrschaft
Burgunds schien sich für immer im oberrheinischen Land festzusetzen;
das Erzhaus Österreich, das sich stets in Geldverlegenheiten! befand, hätte es nie
vermocht, die Pfandsumme, die Karl von sich aus weiter erhöhte, zurückzuzahlen
— da erhoben sich die Bürger und Bauern der schmählich verkauften
Lande zur Selbshilfe. Der Vogt Peter von Hagenbach wurde gefangen und in
Breisach hingerichtet, der Herzog von Lothringen und die Schweizer, die sich
ebenfalls durch Karls Machtgier bedroht sahen, begannen zu rüsten. Noch einmal
suchten burgundische Truppen unter den Hauptleuten Heinrich von
Neuenburg und Stefan von Hagenbach des Aufstandes Herr zu werden. Sie
verwüsteten die Grafschaft Pfirt und legten die Dörfer im Hügelland der
Pforte in Asche. Unsägliche Leiden hatte die deutsche Bevölkerung zu bestehen
. Da rückten 1474 unter Führung des Berners Nikolaus von Diesbach die
ersten Schweizer Truppen ins Feld; sie zogen gegen Hericourt, südwestlich von
Beifort, um den Riegel der Pforte zu brechen und weiteren burgundischen
Truppen den Weg ins Elsaß zu verlegen. Die Burgunder wurden in einer ersten
Schlacht an der Lisaine geschlagen und mußten die Pforte räumen. Nun suchte
Karl der Kühne seine Gegner einzeln zu vernichten. Er bemächtigte sich
Lothringens und wandte sich dann gegen die Eidgenossen, wurde aber von
ihnen, zu denen vorderösterreichische Kontingente stießen, 1476 bei Grandson
und Murten aufs Haupt geschlagen und fand schließlich im folgenden Jahr in
der Schlacht von Nancy den Tod. Burgunds Großmachtstraum war ausgeträumt!
Der Vorstoß durch die Pforte nach Osten war noch einmal abgewehrt, das
„glückliche Österreich" dagegen gewann durch die Heirat des Erzherzogs und
künftigen Kaisers Maximilian mit Karls Tochter Maria außer den Niederlanden
auch die Freigrafschaft Burgund im Saone-Doubs-Gebiet; die habsburgische
Hausmacht wuchs nun ihrerseits durch das Völkertor nach Westen in unmittelbare
Grenzberührung mit dem französischen Königreich.
Die Kämpfe, die sich aus der Auseinandersetzung um das burgundische Erbe
zwischen Frankreich und Habsburg ergaben, wirkten sich nunmehr in ihren
Folgen über weitere 150 Jahre aus, und auch die Landschaft an der Burgundischen
Pforte wurde zum Spielball des wechselnden Schlachtenglücks, bis sie im
Westfälischen Frieden 1648 endgültig der französischen Krone zufiel. Als Kaiser
Karl V. die Herrschaft in den habsburgischen Landen mit seinem Bruder teilte
und sich die spanisch-niederländisch-italieniischen Besitzungen vorbehielt, bekam
Ferdinand 1523 mit dem übrigen deutschen Hausmachtanteil auch den Sundgau
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