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Wie stets und überall war es auch hier die jüngere Generation, die diesen
frischen Wind wahrnahm und benutzte, um ihre Ideen neuen Zielen entgegenzuführen
. Unter dem 29. Mai 1832 setzten der Provisor (Lehrer) Friedrich
Schopferer und der Handlungscommis Matthias Höferlin in Schopfheim das
folgende etwas weitschweifende Schreiben bei einigen gleichgesinnten Freunden
in Umlauf:
„Geehrte Herren!
Seit kurzem ging von einigen echten Volksfreunden der in jeder Beziehung
zu billigende Wunsch hervor, durch den Anschluß des Zirkels der hiesigen
jungen Männer eine Lesegesellschaft zu bilden, um dadurch die so ziemlich
gesunkene Einigkeit wieder herzustellen und untereinander, ohne politischen
Zweck, zu unterhalten mit den nützlichen und interessanten Begebenheiten
und um ein Mittel zu erhalten, die gegenseitige Bildung befördern zu können.
In der festen Ueberzeugung, daß gegenwärtiger Wunsch den außengenannten
Herren, wenn nicht allen, doch vielleicht den meisten nicht mißfallen wird,
da man besonders einstweilen solche wählte, von denen man zum voraus überzeugt
ist, daß sie mit uns von einem deutschen biederen Sinn sind, gab diesen
Anlaß, gegenwärtiges Zirkulationsschreiben erscheinen und bei Außengedachten
herumgehen zu lassen, mit der Bitte, im Falle sie zu diesem Verein treten
wollten, solches durch Beisetzung ihrer Namen zu beurkunden, um dadurch
in den Stand gesetzt zu werden, nach der Zahl der unterzeichneten Mitglieder
das weitere Erforderliche zu besorgen und denselben mitteilen zu können."
Ueber Zweck und Ziel des neuen Vereins gibt die Einleitung zum ersten
Protokollbuch (1832—1861) mit folgenden Worten Auskunft:
„In Betracht, daß Menschen ohne gesellschaftliches Leben nicht zu dem
Zweck gelangen, für welchen sie geschaffen sind, daß keine Gesellschaft ohne
die Vereinigung biederer Gemüter weder gebildet, als auch ohne alle Ordnung
erhalten werden kann, in fernerem Betracht, daß Menschen nicht leicht zum
Ziele ihres Berufes gelangen können, wenn ihnen nicht die hilfreiche Hand
zu ihrem Vorhaben geboten wird, in endlichem Betracht, daß die Herzen der
Menschen näher sich gegenseitig kennen lernen, die Freundschaft und Eintracht
derselben enger verbunden, wenn ihnen das Motto zur Vereinigung eines
gesellschaftlichen Zirkels an die Hand gegeben wird, in Erwägung aller dieser
Beweggründe, haben sich schon am 3. Junil832 nachstehende Bürgerssöhne
und einige Freunde als
1. Karl Grether, Färber
2. Friedrich Schopferer, Lehrer
3. Georg Müller, Schuster
4. Christian Seufert, Buchbinder
5. Matthias Höferlin, Handlungscommis
6. Karl Renk, Schuster
7. Karl Sievert, Skribent
8. Karl Gebhardt, Kaufmann
9. Johannes Sutter, Metzger
10. Johann Jakob Brüderlin, Mechaniker
11. Friedrich Brüderlin, Glaser
12. Johann Georg Schmidt, Kettenschmied
entschlossen, eine Gesellschaft unter dem Namen „L e s e v e r e i n" zu bilden,
an welchem Tage sich die gedachten Mitglieder im „Schwanen" versammelten
und sogleich nach vorangegangener allgemeiner Beratung die für die Gesellschaft
zur Handhabung und Aufrechterhaltung der Ordnung und des Zwecks
nötigen Gesetze entwarf. Auch wurde zugleich ein aus fünf Mitgliedern be-
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