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1625 „keimte die Frucht von der Nässe auf dem Halm aus" und auch 1628 konnte
man den Wein kaum genießen. 1630 hörte die Pest wieder auf, dafür kam der
schreckliche Dreißigjährige Krieg immer näher. Not und Armut waren 1631 groß,
die Frucht sehr teuer und der viele Wein sehr billig. Von 1633 an waren die Menschen
hier ihres Lebens nirgends mehr sicher, waren auf der Flucht oder starben
1636 Hungers oder durch die Pest. Sie aßen Katzen, Hundefleisch und Frösche und
alles lag darnieder. Dazu kamen die schlechten Jahre. Im Winter 1635 erfroren
viele Menschen, 1639 erfroren die Reben, 1643 gab es wenig und schlechten Wein,
1646 wenig Frucht und als 1648 der Westfälische Friede geschlossen wurde, war
unsere Gegend ein Trümmer- und Leichenfeld. Nur langsam erholte sich Gewerbe-
und Bauernstand, dessen Verzeichnisse seiner althergebrachten Rechte in Rauch und
Flammen aufgegangen waren. Die Zurückgekommenen mußten mehr Lasten übernehmen
als je zuvor. Zahlreiche Freigüter fielen an den Landesfürsten, der sie an
Leibeigene verlieh. Viele Neubürger kamen besonders aus der Schweiz in unsere
Dörfer, in welchen ganze Familien ausgestorben waren.
In Basel starben allein im Jahre 1660 1400 Menschen an der Pest und 1672
verwüstete der französisch-holländische Krieg wieder die obere Markgrafschaft
und die Kontributionen, Einquartierung, Plünderung, Brand und Mord machten
alles Aufgebaute wieder zunichte. Als der Ryßwicker Frieden geschlossen wurde,
besaß der Landesfürst kein einziges unzerstörtes Schloß mehr. Nach einem nassen
Jahr 1699, dem wieder Teuerung folgte, wurde bereits 1701 unser Land durch den
Spanischen Erbfolgekrieg wieder Kriegsschauplatz und die Menschen, wie der Fürst
1703, finden wir wieder auf der Flucht nach Basel, bis im Oktober 1715 das Friedensfest
gefeiert werden durfte. Frost, Hitze, Mißwuchs wechselten bis auf die
guten Jahre 1753, 1760 und 1764.
Mit den Condeern, den zur Zeit der französischen Revolution (begonnen 1792)
aus Frankreich geflüchteten Adeligen, kam eine etwas bessere Zeit in die Orte auch
im Markgräflerland, da diese gut bezahlten. Sie brachten den verarmten Menschen
einen gewissen Verdienst, doch auch neue Genüsse, den Tabak und die französischen
Spielkarten, und eine Verfeinerung des Lebensstils. Trotzdem blieben die Kriegsunruhen
, auch starke Einquartierungen wie in den früher Kriegen, nicht aus und
die Menschen brachten sich mit den wenigen Habseligkeiten, die sie mitnehmen
konnten, in Sicherheit.
Keinen Wein gab es 1798 und 1799. Dafür viel neue kaiserliche und französische
Einquartierung, bis nach zehn Jahren der Frieden von Lunneville geschlossen
wurde. Wieder war das Land ausgebeutet und in sehr großer Armut. 1800 war
heiß und trocken, 1802 gab es wenig, aber den besten Wein des Jahrhunderts und
auch 1804 und 1811 gab es viel. Bis 1818 folgten schlechte Jahre und 1813/15 war
das Oberland von Soldaten verschiedener Nationen überflutet, die nach der Völkerschlacht
bei Leipzig an den Rhein zurückkamen und miternährt werden mußten. Sie
brachten das Nervenfieber (Typhus) mit, das sehr vielen Einwohnern den Tod
brachte. Auch die Grippe trat um 1820 zum erstenmal auf. Furchtbare Notzeit wie
lange nicht mehr waren die Jahre 1816 und 1817 und viele mußten verhungern, bis
die Jahre 1817, 1819 und 1826 wieder Brot und Wein brachten. Allmählich hörten
die schlimmsten Seuchen auf, obwohl noch durch das 19. Jahrhundert Pocken, Scharlach
und Diphtherie besonders die Kinder heimsuchte. 1846 bis 1848 stiegen die
Lebensmittelpreise gewaltig an. Die Jahre 1848/49 brachten wohl einige Unruhe,
sind aber doch glimpflich abgelaufen.
So ist allem Gesagtem zu entnehmen, daß mehr schlechte wie gute Jahre die
Lebenserwartungen der oft enttäuschten Menschen bestimmten. Sie wurden durch
die Jahrhunderte aber, die keinem etwas schenkten, im harten Lebenskampf gestählt
und ihr unbeugsamer Lebenswille, ihre Anspruchslosigkeit und die Treue zum
Land brachten sie immer wieder über die schlimmsten Zeiten hinweg. Wohl stiegen
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