http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1964-01/0031
Eine Sonderregelung bestand auch für die Beamten, sonst waren sie ja nicht
versetzbar. Als der Lehrer Höferlin Ende der 1830er Jahre pensioniert wurde, zog
er hier fort. Bald starb er, und seine Witwe zog in ihre Heimat Weisweil. 1853
wollten die Kinder von der Gemeinde Kandern einen Heimatschein (nach 16
Jahren). Die Gemeinde weigerte sich; aber sie mußte doch nachgeben, da die Kinder
eines Staatsbeamten dort Bürgerrecht hatten, wo ihr Vater zuletzt war.
Das Recht auf Heimat, das Bürgerrecht, auf das man in der Jugend meist
wenig Wert legt, das ist es, was man anstrebt, wenn das Alter kommt und die
Fremde eben die Heimat doch nicht ersetzt. Julie Roth, Tochter des Försters Roth,
geboren 1788 in Kandern, hatte sich 1823 mit dem Doktor Haux in Ebringen
in Württemberg verheiratet. Nach dem Tode ihres Mannes wollte sie 1852 zu
ihrem Schwager, dem Domänenverwalter Kiefer in Karlsruhe, ziehen. Darum bat
sie um Erteilung des badischen Staatsbürgerrechts. Man verwies sie nach ihrem
Heimatort Kandern, wo sie auch bürgerlich aufgenommen wurde. Aber die Regierung
des Oberrheinkreises lehnte ab, „weil das Staatsbürgerrecht stets den Besitz
des Ortsbürgerrechts bedingt, dieses aber von einer fremden Frauensperson nur
durch Heirat mit einem Staats- bzw. Ortsbürger erworben werden kann. Die
Wiedererwerbung der Eigenschaft einer Inländerin setzt die ausdrückliche Erlaubnis
zur Aufschlagung des Wohnsitzes im Großherzogtum voraus, diese aber kann nach
Gutfinden gegeben oder versagt werden."
Man kann diese Vorgänge nur verstehen, wenn man hört, daß z.B. 1852
Fräulein Fanny Hug, 22 Jahre alte Tochter des verstorbenen Bergrats Hug, sich
nach Ehingen im Oberamt Tuttlingen verheiraten will. Das Gr. Bezirksamt erteilte
ihr folgenden Entlassungsschein: „Der Fanny Hug usw. wird die Entlassung aus
dem Staats- und Untertanenverband behufs ihrer Verehelichung mit Ottmar Stahl
von Friedingen, Amt Tuttlingen, für den Fall erteilt, daß sie in Friedingen bürgerlich
angenommen werde und die beabsichtigte Verheiratung zustande kommt,
zu welch letzterer sie noch besondere diesseitige Staatserlaubnis dahier nachzusuchen
hat."
Hart kämpfen mußte auch der Bäcker Johann Michael Vollmer aus Gamels-
hausen, Oberamt Göppingen, der in Kandern 12 Jahre in Arbeit stand und schließlich
eine hiesige Bürgerstochter heiraten wollte. Ich habe seine Geschichte im
„Markgräfler Jahrbuch", Band 3, unter der Überschrift „Eine Heirat mit Hindernissen
" ausführlich dargestellt, weil Vollmer sich 1849 zwar „gesetzlich und überhaupt
brav verhalten hatte"; er war aber doch politisch verdächtig geworden, weil
er, wie er selbst angibt, als Handwerker „denen, die mir Verdienst geben, auch
wieder etwas zu verdienen geben muß". Das zu seiner Entschuldigung, daß er auch
in republikanischen, nicht nur in aristokratischen Wirtshäusern sein Schöpplein
trank.
Karl August Mehrer, dessen Sohn im Jahre 1871 die Chronik von Kandern
schrieb, stammte aus Lienzingen im Oberamt Maulbronn, wo sein Vater Chirurg
war. Der junge Mehrer war nach Basel gekommen, um dort seine Ausbildung zu
vervollkommnen, weil er auch Chirurg werden wollte. Vor dem Lörracher Physikat
hatte er die zweite Prüfung bestanden und konnte jetzt seinen Beruf ausüben. Aber
in Basel hatte er die Tochter des Seifensieders Müller aus Kandern kennen und
lieben gelernt. Nun zog es ihn nicht mehr ins Schwabenland; er wollte nach Kandern
heiraten, zumal die Braut ein Kind hatte. 1846 bekam er die Niederlassungsgenehmigung
und konnte heiraten.
Diese wenigen Beispiele zeigen, wie eng damals noch innerhalb der deutschen
Länder die Schranken gezogen waren. Manchmal spiegeln sich auch ganz andere
Dinge. So hatte die Tochter des Gemeinderats Mühlgay den Bäcker Witzig aus
Feuertalen (Zürich) geheiratet und war mit ihm dorthin gezogen. Aber nach der
Geburt des ersten Kindes verließ er seine Luise und trat in neapolitanische Dienste.
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