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Sein Schwiegervater kaufte ihn los und richtete ihm in Haagen eine Bäckerei und
Mehlhandlung ein, später eine Wirtschaft. Aber der unruhige Bäcker hatte keine
Ruhe. Sieben Jahre war er verheiratet und hatte zwei Kinder. Jetzt, im Oktober
1858, zog er wieder fort, vermutlich in holländische Kolonialdienste. Die Frau ließ
sich scheiden und suchte um Genehmigung nach, mit ihren Kindern wieder ihr angeborenes
Bürgerrecht in Kandern zu erlangen.
Nach Zürich zog es auch Johann Georg Kramer, den Glaskünstler von Kandern.
Der Gemeinderat von Außersihl, Kanton Zürich, bat um ein ministeriell beglaubigtes
Schreiben darüber, „daß den Bürgern des Kantons Zürich, welche diesen
Beruf in Baden selbst treiben wollen, weder die Erwerbung des Bürgerrechts, noch
des Meisterrechts, noch sonst irgend eine erschwerende Leistung, von der die Einheimischen
befreit sind, auferlegt werde". So etwas lehnte die Regierung natürlich
ab. Es ging über ein Jahrzehnt, bis der 43 jährige im Jahre 1861 in Zürich bürgerlich
angenommen wurde. Im Kanderner Rathaus erinnert eine Scheibe, mit dem Stadtwappen
, das die Stadt in diesem Jahre erneuern ließ, an den Kanderner Glaskünstler
Kramer, der das Fenster seiner Vaterstadt einst stiftete.
Zwei Schicksale eigener Art sollen diese Reihe abschließen. Auf dem Platzhof
wohnte die Familie Zimmermann. Bevor sie hierher kam, hatte Zimmermann seine
Frau im Elsaß geheiratet. Niemand wußte davon. 1907 waren 30 Jahre vergangen
seit der Eheschließung. Man sah deshalb von einer gesetzlichen Trennung der Ehe
ab; aber die Familie galt als heimatlos und wurde der Gemeinde zugewiesen, in der
sie sich die letzten fünf Jahre aufgehalten hatte.
Umgekehrt hatte der Wagner Johann Friedrich Heß von Kandern nach Häsig-
heim im Oberelsaß geheiratet, ohne hier die Papiere einzuverlangen. Nach zwölf
Jahren stellte er etwas an, wurde eingesperrt und dann außer Land verwiesen. Die
Kanderner weigerten sich, ihn zu behalten. Am 17. September 1825 wurde er bei
Märkt nach Aussage des Stabhalters Rung „über den Rhein geschifft". Aber am 24.
war er schon wieder in Kandern, denn die Franzosen wollten ihn auch nicht. Am
27. September wurde er bei Kleinkems über den Rhein abgeschoben; am 22. Oktober
war er wieder in Kandern. Endlich erhielt er die Genehmigung für seine Person,
sich in Kandern niederzulassen; seine Frau jedoch durfte nicht zu ihm.
Den Abschluß dieser Reihe und zugleich den Übergang zur zweiten Gruppe,
welche von den Auswanderern nach Amerika berichtet, soll das Schicksal des Ludwig
Henn von Kandern bilden. Er befand sich 1853 in Gesellschaft schweizerischer Auswanderer
im Zuge von Basel aus. Aber in Haltingen wurde der Zug von der Gendarmerie
kontrolliert, und Henn wurde verhaftet, weil er einen Auswanderungsvertrag
, aber keine Genehmigung zur Auswanderung hatte. Er war seit 1844 in der
Schweiz in Arlesheim. Von Beruf war er Zimmermann (Mühlemacher), hatte bei der
Artillerie gedient und bekam die Genehmigung, 1849 nach Delsberg zu reisen, wo
sein Vater Steiger im Bergwerk des Herrn Paraviccini in Basel war. Dort fand er
im Bergwerk Arbeit. Er war 26 Jahre alt und erklärte, er habe gar nicht auswandern,
sondern nur seinen Bruder besuchen wollen, der im Staate Ohio Kappenmacher
war. Dieser Bruder Karl war krank. Von einem Verbot sei ihm nichts bekannt.
Zunächst wurde ihm die Weiterreise verboten. Weil ihm aber die Absicht eines
böslichen Austritts aus dem badischen Staatsverband nicht nachgewiesen werden
konnte, ging er straflos aus, mußte aber dem Gendarmen für seine Bemühungen
30 Kreuzer zahlen. Er stellte einen Bürgen und erreichte dadurch, daß die üblichen
Formalitäten rascher erledigt wurden. Dann bekam er seine Papiere zurück und
dazu einen Paß und konnte jetzt Weiterreisen.
Bevor wir aber mit den Auswandererschicksalen beginnen, ist es nötig, einen
Blick auf die Zeitverhältnisse zu werfen. Der Durchzug der Heere, die dann 1815
nach Frankreich weiterzogen, der nasse Sommer 1816 und die Fehlernte brachten
viel Hungersnot. Hier in Kandern wurde eine Suppenküche eingerichtet, die durch
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