http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1965-01/0005
Teil I ist gerichtet „An alle Anwesende, Pfarrer, Vorgesetzte der Gemeinde,
Schul-Meister und Deputirte von der Gemeinde, auch Allmosen-Pfleger";
Teil II sind Zwiegespräche des Speziais
a) mit dem „Pfarrer allein",
b) mit „den Vorgesetzten der Gemeinde" und deren „Deputirten",
c) mit dem „Schulmeister allein".
In Teil I wird nach Kirche, Pfarrhaus, Schule, Glocken, Orgeln, Vasa sacra,
Vestes sacrae und Büchern gefragt, nach Schul-, Konfessions- und sozialen Verhältnissen
(Frage 1—28),
in Teil II geht es nicht nur um die Personalia von Pfarrer und „Schulmeister",
sondern der Pfarrer wird über die Pflichterfüllung der Gemeindevorsteher und
des „Schul-Meisters" ausgefragt, die Gemeindevorsteher müssen gründlich über die
Amtsführung des Pfarrers und der „Schul-Meister" über die Pflichterfüllung des
Pfarrers gegenüber den schulischen Belangen Auskunft geben (Frage 29—59).
Schon aus dieser sehr gedrängten Übersicht über die Fragen (1), die Antwort
heischen, wie auch aus ihrer großen Zahl selbst geht hervor, daß schon vor 200
Jahren gar gründlich visitiert wurde. Es gab also Möglichkeiten genug, soweit
nötig seinen Kropf zu leeren, was gelegentlich auch eindeutig genug geschah.
Andererseits scheint es mir, daß auch vieles zwischen den Zeilen zu lesen ist, und
daß manches angesammelte Pulver ungezündet blieb.
Uber den ungefähren Verlauf der eintägigen Visitation sei ein Protokoll hier
angeführt.
„Actum Kirchen den 2. p. Trin. den 15. Juni 1749. Nach vorher ausgeschriebener
Kirchen- und Schulvisitation hieselbst wurde dato gleich nach meiner
Ankunfft um halb neun Uhr der Kirch-Gang vollzogen, Gesang und Predigt
angehört; auch nach derselben Endigung von mir eine Rede und Kinder-Lehr
gehalten. Das Gesang gieng noch so zimmlich; jedoch war leichtlich wahr zu nehmen,
daß ein gewisser Bürger aus der Gemeind das Beste dabey that, der Schulmeister
aber, ob er gleich sonst singen kan, in einer so grossen Kirch und in einer Gemeind,
die ihm nicht hold ist, das Gesang nicht behaupten könne. Die Predigt war noch
wol anzuhören, wann man von der actione oratoris, die etwas seltsam ist,
abstrahirt. In der Kinder-Lehr bestunden die jungen Leute mittelmäßig. Nach
geendigtem Gottesdienst nähme das Examen der Schul-Jugend vor. Das Lesen,
Buchstabiren und die Recitation des Kleinen Catechismi giengen gut von statten;
die Anwesende Vorgesetzte wollten aber behaupten, daß das noch ein übriggebliebener
Saame von dem vorigen Schulmeister seye. Im Spruch-Buch und
großen Catechismo konnten die jungen Leute wenig: worüber sich der Schul-Meister
mit ihrem Unfleiß entschuldigte. In Durchgehung der Schrifften hat es sich gezeigt,
daß verschiedene Kinder von andern Leuten sich vorschreiben lassen; es ist aber
auch des Schul-Meisters HandschrifR Boden-schlecht wie aus der Anlage zu
ersehen" (p. 45) (2).
Uber die Vornahme der Visitationen 1750 und 1751 berichtet der Spezial
unter dem 8. Dezember 1751: „In der Art und weise, die Visitationes anzustellen
habe keine Änderung vorgenommen, außer daß vor einem Jahr fast aller Orten
geprediget; mithin auch die sonst bemerkte Umstände des Verhörs und das
Befinden der Jugend aus dem protokoll der Kürtze halber weg zu lassen um
(1) Den gesamten Wortlaut der Fragen vgl. Anhang IA
(2) Abkürzungen s. Anhang I C
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