http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1965-01/0023
4. Kirchliches, religiöses und sittliches Leben
4a) Gottesdienstbesuch
Wie war nun der Besuch dieser Predigten und der anderen Gottesdienste? In
17 Gemeinden ist der Predigtgottesdienst so besucht, daß man ihn mit gut bezeichnen
kann. Man kann den Besuch charakterisieren mit den Angaben, die Egrin-
gen (p. 62) und Efringen (p. 41) machen: „Die öffentlichen Gottesdienste werden
fleissig" und „werden noch zimmlich besucht".
Den guten Besuch schränken ein Kirchen (p. 50) „... an Feyrtägen ziehen die
Leute dem Basler Markt nach", Rötteln (p. 121): „... an Feyr-Tägen nicht so
fleissig, weil die Leute an solchen auszulauffen gewohnt seyen" und Haltingen
(p. 183): „. . . Es seyen hier der Feld-Geschäfften Viel, durch welche sich die Leute
an Beweisung mehrere Fleisses hindern lassen". Für den Pfarrer ziemlich bedrük-
kend muß der Besuch in Grenzach gewesen sein: „Die Gottesdienste werden weder
von Jungen noch von Alten fleissig besucht; man bringe sie mit grösstem Zwang
kaum zur Kirche" (p. 213).
In zwei Gemeinden führen die Pfarrer offenbar ein strammes Regiment. Der
Egringer (p. 62) erwartet regelmäßigen fleißigen Besuch „. . . geschehe es nicht, so
ahnde ers"; wie er es macht, steht nicht geschrieben. Der Wittlinger gar gibt zu
Protokoll: „ . . . und so sich jemand saumselig erzeige, so werde er darüber zu Red
gesetzt" (p. 106/107).
Fast allgemein geklagt wird über den „schlechten" Besuch der „Alten" in der
Kinderlehre und allgemein der „Bettstunden".
Obwohl der Spezial erst 31 Jahre zählt (gebürtig von „Maulburg, Sausen-
burgischer Landgraffschafft", L. p. 240), ist er doch schon sehr klarsehend und
tüchtig und meistert alle Situationen. Dieser Eindruck wird immer von neuem
bestätigt und geht aus seinem sicheren Urteil hervor. So läßt er sich auch über den
Gottesdienstbesuch keinen Sand in die Augen streuen, wie aus seinem Bericht an
den Markgrafen zu ersehen ist: „Die fleissige Besuchung der Gottesdienste muss
überall nur von einem Theil der Gemeinde verstanden . . . werden" (b. 25).
4b) Die Kirchenrüger
In das Bild des damaligen kirchlichen, religiösen und sittlichen Lebens gehört
die seit 1622 bestehende Institution der „Kirchen-Rüger". Den Kreis der Männer,
dem sie entnommen werden, umreißt Kleinkems: „... und wechsle diess Ammt
unter den Bürgern immer ab..." (p. 21); ihre Amtsdauer nennt Haltingen:
„ . . . deren Ammt, wie vieler Orten, nur vier Wochen daure" (p. 183). Ihre Zahl
war örtlich verschieden. So redet Kleinkems von einem einzigen „Kirchen-Rüger",
Haltingen von deren drei (a.a.O.), Tüllingen (p. 194) von vier. Ihre Aufgabe
war kirchlicher und außerkirchlicher Natur. Während des Gottesdienstes hatten sie
die Pflicht, „. . . die muthwilligen Pursche in der Stille und Zucht zu erhalten";
darüber hinaus aber fordert der Visitator: „Es sollen auch Kirchen-Rüger ausser
der Kirche bestellt werden, die acht haben, dass während dem Gottesdienst
der gantze Ort sich still halte" (K. p. 50). Die außerkirchliche Aufgabe bestand
darin, den landesherrlichen Vorschriften über Zechen, Kartenspiel und Sonntagsarbeit
Nachachtung zu verschaffen sowie Trunkenheit und Streit zu verhindern.
Sieben Gemeinden stellen ihren Kirchenrügern das Zeugnis aus, sie seien „sorgfältig
und aufrichtig" (Eg. p. 62) oder wie Fischingen: „. . . die sich gar sorgfältig
bezeigen".
21
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1965-01/0023