http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1965-02/0014
Doch eine richtige Siedlungsgeschichte auf namenkundlicher Basis läßt sich erst
mit dem Eintritt der Kelten in die Geschichte schreiben. Von der Sprache der
vorkeltischen Bevölkerung, der Illyrer, Ligurer und Veneter, wissen wir viel zu
wenig, um mit Sicherheit sagen zu können, welche Ortsnamen ihnen zugehören.
Um 750 v. Chr. war das heutige Deutschland erst im nördlichsten Teil von den
Germanen besiedelt. Südlich und westlich davon saßen die Kelten, ein ebenfalls
indogermanischer Volksstamm. Diese breiteten sich dann über fast ganz Europa
hin aus, eroberten England, Irland, Spanien, große Teile des Balkans und drangen
sogar bis in die heutige Türkei vor.
Etwa im fünften Jahrhundert vor Christi Geburt war das rechtsrheinische
Gebiet zwischen der Rauhen Alb, dem Rhein und dem Main von dem keltischen
Stamm der Helvetier besiedelt. Im Raum um Basel wohnten damals die ebenfalls
keltischen Rauraker, von denen bei der Basler Gasfabrik 50 Wohngruben freigelegt
worden sind.
An die Keltenzeit erinnern nun in ganz Europa zahllose Ortsnamen, die sich
in Frankreich geradezu häufen. Diese Namen erkennen wir an bestimmten
Endungen oder Bildungsweisen. Die keltische Sprache selbst ist uns ja nicht
überliefert, und wir können sie nur noch aus Inschriften, Eigennamen und den
heutigen keltischen Dialekten wie Wallisisch, der Sprache der Bewohner von
Wales, Bretonisch und dem sog. Gälisch, das in Schottland und Irland gesprochen
wird, rekonstruieren.
Wenden wir uns nun zunächst den sehr zahlreich vorkommenden keltischen
Ortsnamen mit der Endung -dunum zu. Dieses Wort ist urverwandt mit
german. zün = Zaun und bedeutet ebenfalls ursprünglich „Umzäunung", dann
später „Befestigung". Dunum ist heute noch in engl, town = Stadt erhalten, das
zuerst ebenfalls nur die Stadtmauer, also die Umzäunung bezeichnete und erst
nachher auf das Umzäunte selbst überging. Hier mögen nur einige dieser Ortsnamen
als Beispiele stehen: Noviodunum = Nyon am Genfer See, Lugudunum
= Lyon, Virodunum = Verdun, Cambodunum = Kempten, Eburodunum =
Yverdon, Sedodunum = Sitten, Tarodunum = Zarten bei Freiburg und Dunum
selbst, das heutige Thun am Thuner See. Vielleicht gehören zu dieser Ortsnamengruppe
auch Ölten und Magden (südl. Rheinfelden).
Andere keltische Ortsnamen sind mit der Endung -durum = Tor,
Tür gebildet und bezeichnen den durch eine Pforte geschützten Zufluchtsort.
Darauf zurück gehen Solothurn (Salodurum) und Winterthur (Vitudurum).
Dazu kommen noch andere keltische Bildungen wie Argentorate = Straßburg,
Vindonissa = Windisch, Turicum = Zürich, Candate = Cannstatt, das an der
Mündung der Rems in den Neckar liegt und soviel bedeutet wie Zusammenfluß,
Cambete = Kerns, welches noch 1086 Kambiz hieß und auf keltisch camb-ete =
Krümmung zurückgeht. (Lage an einer Rheinkrümmung.)
Neben den Ortsnamen sind es dann vor allem noch die vielen Flußnamen, die an
die Keltenzeit erinnern. Diese haben sich sogar noch besser erhalten, weil Flüsse
nicht wie Städte zerstört werden können und einer größeren Anzahl von Menschen
bekannt waren. Es seien hier auch wieder nur einige keltische Flußnamen unseres
Gebietes genannt: Der Rhein = kelt. Reinos, das aus der Wurzel rei = fließen
gebildet ist. Dieser Wortstamm ist heute noch in dem irischen rian = Gewässer,
Meer erhalten. Die Donau, die früher Danuvius hieß und zum keltischen Wortstamm
„dan" = ungestüm gehört, die Kinzig, der Main (zu kelt. Moinos), die
Nagold, die Tauber, die Murg, die Ammer, die Brigach und die Breg. In unserem
Gebiet sind es dann vor allem noch die Kander, welche im Jahre 790 noch Cantara
hieß, was die Glänzende, Weiße bedeutet, die Dreisam, entstanden aus Tragisama
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