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Angabe des Kirchenbuches, ein Herr von Ellrichshausen. Die Mutter heiratete
später einen Elsäßer namens Meier. Vermutlich kam das Töchterlein schon früh
unter fremde Leute. Es fand später eine Heimat und freundliche Aufnahme im
Pfarrhause von Efringen bei der Familie Pfr. Mylius. Hier hatte es eine Zwischenstellung
zwischen Dienstmädchen und Pflegetochter. Bei einem Besuche, den der
Präzeptoratsvikar Hebel, der damals am Lyceum in Lörrach Lehrer war, im
Efringer Pfarrhaus machte, sah er das heranblühende, „sufere, flinke und dunders-
nette Meidli". Es machte auf ihn einen solchen Eindruck, daß er spontan zum
Bleistift griff und vorstehende Verse niederschrieb. Dadurch wurde die Verherrlichte
weit über die heimatlichen Grenzen hinaus bekannt. Der Efringer Pfarrherr
wollte dem Mädchen eine Freude machen und rief es herbei, damit ihm Hebel
persönlich das Gedichtchen vortragen konnte. Dieses hörte freudig errötend zu.
Diesen Moment dürfte das eingangs erwähnte Hebelbild darstellen.
Es ist nun durchaus abwegig, zu glauben, der Dichter hätte, einer Liebeswallung
nachgebend, im Gedichte „Hans und Vrene" sich selbst als Hans gefühlt. Es ist
vielmehr anzunehmen, daß Hebel auf ein bereits bestehendes oder später anzubahnendes
Verhältnis zwischen Vreneli und einem gewissen Hans anspielen und
das Mädchen „uzen" wollte, wie das ja seine Art war.
Nach Versetzung von Pfr. Mylius von Efringen nach Grünwettersbach siedelte
auch Vreneli mit der Familie nach diesem Orte über. Hier verheiratete es sich mit
dem Küfer Rohrer. Leider hatte es bei der Wahl seines Lebensgefährten auf die
falsche Karte gesetzt. Sein Mann entpuppte sich nach der Hochzeit als roher,
trunksüchtiger Geselle, der seine hübsche Frau oft mißhandelte. Einst konnte
sie sich nur durch einen Sprung durch's Fenster vor ihm retten und zog sich dabei
eine solch schlimme Fußverletzung zu, daß sie zeitlebens hinkte. Nach einer sehr
unglücklichen zwölfjährigen Ehe starb Rohrer. Vreneli suchte sich nun durch ihrer
Hände Arbeit den Lebensunterhalt zu verdienen und sich ehrlich und redlich
durchs Leben zu schlagen. Als fleißige Spinnerin und auch als geschickte Blumenbinderin
war sie geschätzt. Ein kleiner Kreis HebePscher Freunde, die auf das
tragische Geschick Vreneli's aufmerksam gemacht wurden (darunter auch Großherzogin
Sophie), wendeten ihm Unterstützungen zu. Mit zunehmendem Alter
nahm die Arbeitskraft ab, Not und Mangel stellten sich ein, und auf Drängen
eines Gläubigers wurde das Häuschen, das die Frau bewohnte, verkauft. Es war
ihr unmöglich, die durch ihren liederlichen Mann hinterlassenen großen Schulden
abzutragen.
Bei der Feier von Hebels lOOjährigem Geburtstage am 10. Mai 1860 erinnerten
sich einige Verehrer des Dichters auch an sein „Vreneli". Sie wurden auf
dessen Not hingewiesen. Nun erfolgte ein Aufruf in den Zeitungen, das Elend
zu lindern, und das brachte der Vergessenen wieder bessere und sonnigere Tage.
Aus dem ganzen Lande trafen Spenden ein, die auf einer Sparkasse angelegt
wurden.
Bei den Feierlichkeiten in Karlsruhe (1860) wurde auch 's Vreneli mitgefeiert.
Bei der Festvorstellung im Hoftheater wurden lebende Bilder aufgeführt, darunter
„Hans und Vrene". Auf einem Ehrenplatz konnte das Urbild dieser Vrene im
Publikum persönlich teilnehmen. In der Folge wurde Vreneli von Familien und
Schulen eingeladen, um dort Hebel'sche Gedichte in Dialekt vorzutragen. Nach
düsteren Erdentagen in Ehe- und Witwenstand leuchtete somit ein letztes Abendrot
über seinem Dasein. Die letzten Lebenstage verbrachte die Frau in der Stille
des Karlsruher Diakonissenhauses, wo sie am 8. Januar 1869 90jährig starb. Bis
zu ihrem Lebensabend trug sie die Tracht ihrer Heimat und diese umso lieber und
stolzer, weil sie eben Hebels Vreneli war!
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