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IV. Überblick und Zusammenfassung
Wenn die 22 Zunftbriefe der Leutrum'schen Handschrift nach Inhalt und
Umfang auch sehr verschieden sind, so soll doch versucht werden, in einigen Punkten
herauszustellen, was für sie alle oder doch für die große Mehrzahl verbindlich
ist.
1. Die Lehrzeit
Keine der erwähnten Zünfte verzichtet auf diese Einrichtung zur Heranbildung
des Nachwuchses. Die Dauer der Lehrzeit liegt zwischen zwei und drei Jahren
und geht nur bei den Schlossern in Einzelfällen auf fünf Jahre hinauf.
Mit zweijähriger Lehrzeit begnügen sich die Küfer, die Bäcker, die Bader und
die Renken- und Kettenschmiede, wovon die letzteren nur Lehrlinge annehmen,
die im Lande geboren sind. Bei den Hufschmieden müssen es „mindestens zwei
Jahre" sein, während die Seiler „zwei bis drei Jahre" fordern. Auf zwei Jahre
beschränken sich auch die Maurer, wenn dem Lehrling nicht auch die Kunst des
Steinhauens beigebracht wird, wodurch sich die Lehrzeit auf drei Jahre verlängert.
Die Mehrzahl der Zünfte fordert drei Lehrjahre, nämlich die Krämer, die Müller,
die Schreiner und Glaser, die Nagelschmiede, die Barbierer (zu denen auch die
Wund- und Schnittärzte zählen), die Schneider, die Schuhmacher, die Zimmerleute
, die Schwarz- und Schönfärber, die Leinenweber, die Hechler, die Sattler,
die Rotgerber, die Hutmacher, die Metzger und die Hafner. Eine Reduzierung
dieser dreijährigen Lehrzeit gestatten die Schneider bei besonderer Geschicklichkeit
des Lehrlings, ohne den Umfang der Verringerung festzulegen, und die
Hechler für die Meisterssöhne auf zwei Jahre. Bei den Barbierern und Badern
sind die Meisterssöhne an keine Lehrzeit gebunden. Die Sattler gewähren einen
Nachlaß von einem Vierteljahr bei guter Führung. In der Krämerzunft kann die
Lehrzeit durch Zahlung von zwanzig Gulden abgegolten werden.
Lehrlinge, die Sattler, Hutmacher sowie Schwarz- und Schönfärber werden
wollen, dürfen das Handwerk nur in Städten und Marktflecken erlernen. Will ein
Sattler aus dem Dorf arbeiten, so braucht er dazu eine Sondergenehmigung und
darf weder Gesellen noch Lehrlinge halten.
Ein Mindestalter für Lehrlinge wird nur in der Zunft der Barbierer gefordert.
Dort muß ein Lehrling mindestens vierzehn Jahre alt sein, achtzehn jedoch, wenn
er „Stein- und Bruchschneider" (= „Schnittarzt") werden will. Bei den Badern
ist die untere Altersgrenze auf zehn bis zwölf (!) Jahre festgesetzt.
Keine Zeitangabe für die Dauer der Lehrzeit findet sich bei den Wagnern. Daß
auch sie eine Lehre fordern, geht daraus hervor, daß ein Lehrgeld zu zahlen ist.
Eine Regelung des Abschlusses der Lehrzeit für den Fall, daß der Lehrmeister
stirbt, ehe der Lehr junge ausgelernt hat, kennen folgende Zünfte: die Müller, die
Bäcker, die Nagelschmiede, die Barbierer, die Hufschmiede, die Schneider, die
Schwarz- und Schönfärber, die Hechler, die Renken- und Kettenschmiede, die Rotgerber
und die Seiler.
Bei einigen Zünften sind Maßnahmen notwendig, den Zugang zum Handwerk
etwas zu drosseln. So müssen die Müller- und die Bäckermeister jeweils ein
Jahr nach dem Freispruch eines Lehrjungen warten, ehe sie einen neuen Lehrling
annehmen. Zwei Jahre Wartefrist wird den Meistern des Hufschmiede-, des
Schneider-, des Sattler- und des Renken- und Kettenschmiedehandwerkes auferlegt
. Bei den Sattlern sowie den Renken- und Kettenschmieden gilt diese Frist
auch für neuernannte Meister. Die Rotgerberzunft verlangt die Einhaltung der
zweijährigen Sperre nur von den jungen Meistern. Die Nagelschmiede, die Metzger
, die Schuhmacher, die Küfer, die Hutmacher sowie die Schwarz- und Schönfärber
dehnen die Sperrzeit sogar auf drei Jahre aus. Bei den Hutmachern sowie
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