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außerordentlich großzügiges Angebot, das uns Einschätzung und Bedeutung der
Stadt erkennen läßt. Die Bürger lehnten das Angebot ab. Sie wollten vor der
Gewalt des Stromes nicht kapitulieren und den umkämpften Boden nicht preisgeben
. Kapituliert hat die Bevölkerung der Stadt noch nie, bis auf den heutigen
Tag. Hilfsbereitschaft und Zugreifen, nicht nur zum eigenen Nutzen, sondern auch
zum Nutzen des Mitmenschen, sind die bestimmenden Wesenszüge geblieben, was
alle andern menschlichen Eigenschaften nicht ausschließt.
Was sie gefühlsmäßig von der alteingesessenen Bürgerschaft des Markgräfler-
landes unterschied und sie von dorther wie einen Fremdkörper betrachten ließ,
hatte als Ursache die Landesgrenze, die sich zwischen beide Gebiete schob. Neuenburg
war von einer Zähringerstadt eine freie Reichsstadt und schließlich eine vorderösterreichische
Stadt geworden und eine solche bis zum Jahre 1806 geblieben.
Dies bedingte auch einen konfessionellen Unterschied. Schon 1522 hatte der Magistrat
der Stadt sich zur Reformation bekannt und dem Wunsch der Bürger entsprechend
Otto von Brunfels, einen Freund von Franz von Sickingen und Ulrich
von Hutten, als Prediger der neuen Lehre hier angestellt, lange bevor sich die
Markgrafschaft dazu bekannte. Durch das Edikt von Ensisheim, wo die vorder-
österreichische Regierung ihren Sitz hatte, wurde die Stadt schon 1524 zur Rückkehr
zum katholischen Glauben gezwungen.
Wenn der Stadt bei ihrer Gründung die Aufgabe gestellt war, als Sperriegel
zwischen der durch Kaiser Barbarossa neu erworbenen Herrschaft Badenweiler und
seiner Landgrafschaft im Elsaß zu dienen, lag darin die Absicht der Zähringer,
eine Bedrohung ihres Anspruchs auf die Freigrafschaft Burgund abzuwehren, die
durch eine Gewinnung des wichtigen Rheinübergangs an dieser Stelle zu befürchten
war.
Zwischen der Aufgabe als Sperriegel und der Bestimmung, Brücke zwischen
zwei Ufern zu sein, vollzieht sich die Geschichte dieser Stadt. Es muß als folgerichtig
erscheinen, daß sie auf diesem Wege auch ihr Gesicht wandelte, auf diesem
Weg, der zwangsweise durch Leiden, Brand und Blut führen mußte, um diese
Brückenaufgabe, wie sie die örtliche Lage bedingt, zu einer aus eigener Besinnung
gewollten Erfüllung zu bringen.
So weist uns gerade dieser „Fremdkörper" im Markgräflerland auf die Aufgabe
unsrer Dreiländerecke, der beiden Kreise Müllheim und Lörrach, hin: Brücke
zu sein. Es wäre eine Verkennung unsrer Aufgabe, wollten wir ihre Erfüllung nur
in der Selbstdarstellung des engumgrenzten Raumes innerhalb der Kreisgrenzen
erblicken. Unsre Lage an der Grenze Deutschlands nach Westen und Süden fordert
von uns, die Verflechtungen über die Grenzen hinweg ins Elsaß, in die Schweiz
und zu unsern österreichischen Brüdern als eine europäische Verpflichtung zu erkennen
und zu pflegen.
Eine ausführliche Darstellung der Geschichte der Stadt Neuenburg findet sich in
„Neuenburg, die Geschichte einer preisgegebenen Stadt" von Konstantin Schäfer, 531 Seiten
, 127 Bilder, 2 Faltbilder, eine eingeklebte Reproduktion des Merianstiches, 3 Karten,
6 Stammbäume; zu beziehen durch die Stadt Neuenburg, Preis 25 DM.
Ein zweiter Band wird im Laufe des Jahres erscheinen.
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