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Stadt fabriziert wird. Oder um einen anderen, allerdings weniger exemplarischen
Fall zu erwähnen? In Emmendingen tut man sich — selbstverständlicherweise! —
viel zu gut auf die Erinnerungen an Cornelia, Goethes Schwester, die in dem
badischen Landstädtlein als Gattin von Johann Georg Schlosser, Oberamtmann
des sogenannten „Hochberger Ländchens", lebte, hier heimging und auf dem alten
Friedhof ihre Ruhestätte fand. Wie an den Bruder, der zweimal in Emmendingen
weilte — aber die Beseitigung einer Reklamelaterne über einer steinernen, in die
Fassade eines Gasthauses eingelassenen Tafel, auf der Verse aus „Hermann und
Dorothea" zu lesen stehen, ließ sich, obwohl man sich alle Mühe gab, nicht durchsetzen
— man meint in Emmendingen, seine „Welt" sei der Schauplatz des
unvergänglich schönen Goetheschen Epos. Die Reklamelaterne erwies sich als
stärker denn das Gedächtnis an den Olympier.
Schild „Zum Hirschen" in Haltingen; seit 1747 (Aufn. F. Schülin)
Das Wirtshausschild ist oder sollte doch sein ein Ehrenzeichen, das durch
keinerlei Reklame degradiert werden darf! Es gehört zu den ältesten Berufszeichen
und Sinnbildern erwerbsbedingter, menschlicher Tätigkeit. Man weiß, daß
es in Pompeji ein Gasthaus „Zum Elefanten" gab. Die Tavernen der römischen
Legionäre in Gallien trug sichtbare Hinweise auf ihre Bezeichnungen, etwa „Zum
Hahn", „Zum großen Kranich" u. a. In deutschen Landen führten in den Städten
vom frühen Mittelalter ab so gut wie alle Häuser Namen, ein Brauch, der aufgegeben
wurde, nachdem infolge des steten Wachstums der Stadtgebilde die Numerierung
der Häuser aufgekommen war. Die Gasthöfe und Wirtschaften aber
behielten ihre Namen. Als die Institution der verbrieften „Schildgerechtigkeit",
also der obrigkeitlichen Konzessions-Erteilung, aufkam, gewann das Wirtsschild
einen gewissen rechtlichen Charakter, wurde sozusagen zum gesetzlich gerechtfertigten
Symbol. Damit wurde zugleich seine Geltung als Wahrzeichen gepflegter
Tradition des Hauses betrachtet, das es schmückte. Denn das ist das Wirtsschild:
Ein Schmuck, und es befindet sich so im Gegensatz zu jeglicher Reklame, wie sie
heute üblich ist. In seiner Blütezeit hat das Handwerk gerade auch in der einfallsreichen
und kunstvollen Gestaltung von Gasthausschildern sein hohes, eindrucksvolles
Können an den Tag gelegt. In vielen heimatgeschichtlichen Sammlungen
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