http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1970-01/0044
auf einem Schild. Nun ist aber nach näheren Nachforschungen des Archivars der
Familie Gmelin (Herr Dr. Otto Braus, Dettenhausen, Kr. Tübingen) in den Familien
der angeheirateten Gmelin-Frauen weder Anker und Delphin (heraldisch
gesehen rechte Seite des Wappens) noch Wolfsangel und Sterne (heraldisch gesehen
linke Seite) als Wappen geführt worden. Es ist daher anzunehmen, daß zu der
Zeit, in der das Wappen festgelegt wurde, die Feinheiten der Wappenhandhabung
nicht mehr allzu stark beachtet wurden. Die Fachleute sind sich einig, daß Barock -
und Rokokozeit bereits zur Zeit des Niederganges der Heraldik gehören, die ihre
Blütezeit im 14. und 15. Jahrhundert hatte. Damals entwickelte sich die Wappenführung
aus der Notwendigkeit heraus, die durch Rüstung und Helm unkenntlich
gewordenen Ritter voneinander zu unterscheiden. Jedes Geschlecht hatte sein
Symbol, dem die einzelnen männlichen Personen noch ein besonderes Merkmal
hinzufügten. Später mag die Wappenführung wohl mehr prestige-betonte Besonderheit
einzelner Familien gewesen sein, die die strengen Regeln nicht mehr
achtete.
Eine Parallele oder Vorstufe zu den Wappen findet sich in den norddeutschen
und skandinavischen Hausmarken, meist kreuzförmige oder runenartige Zeichen,
die infolge ihrer Einfachheit in Haus- und Feldgeräte eingeritzt oder ins Fell der
Haustiere eingebrannt werden konnten. Auch hier kann festgestellt werden, daß
die Großsippe ein gemeinsames Symbol führt, jede Familie jedoch durch ein kleines
Zusatzzeichen unterschieden wird.
Ein solches Hausmarken-Wappen ist nun der (heraldisch) linke Teil des Gmelin-
Wappens: die Wolfsangel mit zwei oder drei Sternen. Sie taucht in dieser Familie
erstmals 1658 auf dem Grabstein der Catharina Gmelin geb. Föckler, Ehefrau des
Pfarrers Jeremias Gmelin, auf dem Friedhof in Auggen, Kr. Müllheim, auf (Abb. 2).
Rechts (vom Beschauer aus) steht das Wappen der Familie Föckler: ein durch zwei
Hände zurückgehaltener Pfeil mit dem Wahlspruch „Eile mit Weyle". Es ist also
ein sprechendes Wappen, bei dem der Pfeil die Eile, die zurückhaltenden Hände
das Verweilen andeuten. Links steht die Wolfsangel mit dem ins Lateinische übertragenen
Wahlspruch „Festina lente". Ist hier ein Aufklingen der Gmelin'schen
Familientradition (vgl. Hochzeitslied, folgt in Heft 2, 1970) mit dem zufällig
gleichen deutschen Wahlspruch der Familie Föckler zusammengekommen? Es wird
sich kaum klären lassen, was primär oder sekundär gewesen ist.
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