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Die Tanzstunde vermittelte auch in größeren Dörfern der Jugend einigen Schliff.
Der Tanzlehrer gab mit der Geige den Ton und Takt an, und seine Frau begleitete am
Klavier. Neben Walzer, Schottisch, Rheinländer, Galopp und anderen wurden auch
Gesellschaftstänze gelernt. Doch der Kissentanz und der Spiegeltanz machten mehr Spaß
und hielten sich lange, sind aber heute auch vergessen.
Chissitanz :
Mädchen und Burschen sitzen auf Stühlen und bilden einen Kreis. Während die
Musik spielt, tanzt ein Mädchen mit einem Kissen im Kreis, legt es vor einen Burschen,
zieht es aber sofort wieder weg, wenn er sich erheben will, und wiederholt das Spiel bei
einem anderen. Ist der Bursche flink, läßt er sich schnell mit den Knien auf das Kissen
fallen, sonst kniet das Mädchen vor den Erwählten, der sich zu ihr hinkniet. Sie geben
sich einen Kuß und dürfen eine Runde tanzen. Jetzt bekommt der Bursche das Kissen
und beginnt bei den Mädchen das Spiel, das beliebig lange weitergeht.
Spiegeltanz:
Mädchen und Burschen stehen im Kreis. Die Musik spielt, und ein Mädchen hält
einen Spiegel vor das Gesicht eines Burschen. Sobald er es festhalten will, dreht es sich
um und tanzt mit dem Spiegel vor einem anderen, bis es den Partner gewählt hat, sich
vor ihm verbeugt und eine Runde mit ihm im Kreis tanzt. Dieser bekommt nun den
Spiegel und sucht sich auf die gleiche Weise eine Partnerin, und so geht es weiter.
Stuehltanz :
Stühle werden in einer geraden Reihe so aufgestellt, daß abwechselnd ein Sitz nach
rechts, einer nach links geht. Es muß aber ein Stuhl weniger sein als es Teilnehmer sind.
Die Musik spielt einen Marsch, und alle gehen hintereinander um die Stühle herum. Sobald
die Musik plötzlich aufhört, versucht jeder, sich auf einen Stuhl zu setzen. Der, dem
das nicht gelingt, nimmt einen Stuhl weg und scheidet aus. Wenn keine Stühle mehr da
sind, hat der Übriggebliebene gewonnen. So gab es noch manche Spiele, die auch bei
Hochzeiten gespielt wurden.
Eine Hochzeit auf dem Lande war immer ein freudiges Ereignis für das Dorf.
In guten Zeiten wurde bei einer Hochzeit das Beste aus Küche und Keller geboten.
Schon vier bis sechs Wochen vorher lud das Brautpaar persönlich die Paten, Verwandte
und Freunde zur Hochzeit ein und wurde in Würdigung dieser Ehre von den
Geladenen mit Schinken oder Schüfeli, mit Kartoffelsalat, Brot und Wein bewirtet. Zur
Hochzeit brachten sie nach Vermögen ihre Geschenke mit, konnten aber dafür zwei Tage
lang an der Hochzeitstafel unentgeltlich mithalten.
Für stets volle Krüge und Gläser war der „Ehrgesell" verantwortlich. Kehrte er den
Rücken, wurde alles ausgetrunken und die leeren Krüge und Flaschen an Servietten zum
Fenster hinausgehängt, sehr zum Ärger des Hausvaters, dem es nicht zur Ehre gereichte,
wenn sie keinen Wein mehr hatten. Das passierte oft sehr rasch, besonders wenn die
Gäste zu singen anfingen:
Und wer im Januar geboren ist, steh auf!
Er nehm sein Gläschen in die Hand
und trink es aus bis an den Rand!
Trinkt aus, trinkt aus, trinkt aus!
Ein jeder trink s Gläschen aus!
Wer im Januar geboren war, mußte aufstehen, dann kamen alle andern Monate
an die Reihe, und die „Geeichten" tranken jeweils auch „das Gläschen aus". Aus
irgendwelchen Anlässen wurde immer wieder einmal „Ex" getrunken. Durch das viele
gute Essen hatten sie eine gute Unterlage, und wegen der Promille brauchten sie sich
früher auch keine Sorge zu machen.
Noch bis in die Zwanziger Jahre durfte bei einer Hochzeit auf dem Dorf die
„Schnitzelbank" nicht fehlen, ein glattes, über einen Meter langes und etwa 25 cm breites
Brett.
D Schnitzelbank :
Schon vor der Hochzeit hatten Gäste die Figuren der Schnitzelbank mit Kohle oder
Kreide auf dem Brett festgehalten. Manchmal war sie auch noch von einer andern
Hochzeit vorhanden. Einfach, doch gut zu erkennen waren etwa folgende Dinge darauf
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