http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1971-01-02/0006
/. Bad Bellingen
Der Name Bellingen vermag dem Durchschnittsbürger der Bundesrepublik
vielleicht nicht viel zu sagen; Bad Bellingen hingegen
dürfte dem Arzt und dem leidgeprüften und schmerzgeplagten
Heilungsuchenden ein Begriff sein, seitdem die Thermalquelle
zu medizinischen Zwecken genutzt wird. Mit dem
28. November 1956, dem Geburtstag der Thermalquelle von
Bellingen, hat eine Entwicklung eingesetzt, die den Ort in knapp
eineinhalb Jahrzehnten in eine ganz andere Richtung wies als
die, die das Leben dort ohne dieses Ereignis genommen hätte.
/. Die geschichtliche Entwicklung des Ortes
Es soll hier nicht versucht werden, den Geschichtsablauf für Bellingen lückenlos
darzustellen. Die ingen-Endung des Ortsnamens läßt eine Gründung der Siedlung
in der Zeit der alemannischen Landnahme (3.—5. Jhdt.) vermuten; die frühere
Namensform Pallinchoven (1064) jedoch weist den Ort der inghoven-Gruppe zu,
die etwa für das 11. Jahrhundert im Zusammenhang mit dem inneren Ausbau des
Landes anzusetzen ist2). An Hand zweier Steinbeilfunde läßt sich eine steinzeitliche
Jägersiedlung nicht nachweisen, und aus einem römischen Münzfund läßt sich
auch kein Gutshof aus der Zeit um Christi Geburt konstruieren.
Daß die Rebe an den sonnigen Lößhängen von Bellingen schon frühzeitig gedieh,
entnehmen wir einem Dokument aus dem Jahre 1064. Im Kloster Muri (Schweiz)
wurden die Besitzverhältnisse damals genau aufgenommen und die Pflichten der
Bauern gegenüber dem Kloster hinsichtlich der Pflege der Rebanlagen exakt festgelegt
. Man bezeichnet diese Niederschrift als die älteste Rebordnung in Deutschland3
). Neben dem Anbau von Wein trugen die anderen Zweige der Landwirtschaft
und vor der Rheinregulierung auch die Fischerei zum Lebensunterhalt der
Bewohner Bellingens bei.
Inhaber von Besitzrechten in Bellingen waren im Wechsel der Zeiten und in
unterschiedlichem Maße Guntram der Reiche, König Otto L, Kaiser Heinrich IL,
die Dompropstei Basel, die Grafen von Habsburg, die Herren von Butenheim, die
Klöster Muri, Murbach und St. Blasien, die Grafen von Kyburg, die Herren von
Aarburg und Froburg, die Herren vom Haus, das St. Leodegar-Stift in Luzern, die
Propstei Bürgeln, die Herren von Klingenberg, die Klöster Klingental und St. Klara
sowie der Predigerkonvent in Basel, die Freiherren (später Grafen) von Andlaw
und die Herren von Rotberg. Die mannigfachen Fehden, in die die einzelnen weltlichen
und kirchlichen Eigentümer der Landes- oder Grundherrschaft verwickelt
wurden, brachten viel Not über den Ort. In den Jahren 1409, 1445 und 1675 wurde
das Dorf Bellingen niedergebrannt. Dem Bauernstand wie dem Handwerker fiel es
wahrlich nicht leicht, sich gegen den Unbill der Kriegsläufte zu wehren und den
Aufbau immer wieder von vorn zu beginnen.
Gegen Ende des Jahres 1805 wurde die Schloßherrschaft Bellingen dem Kurfürstentum
Baden einverleibt. Alle Rechtstitel gingen nun an den badischen Staat
über. Der kirchliche Besitz wurde eingezogen, die Zehntlasten mit Geld abgefunden.
Eine neue Zeit hatte begonnen. Aber auch sie war nicht frei von Not und Schrecken.
Die Feldzüge Napoleons brachten auch Bellinger Männer unter die Fahnen des
Korsen. Nach dem Rückzug aus Rußland wurde der Rhein Grenze gegen ein feindlich
gesinntes Nachbarvolk. Im Revolutionsjahr 1848 führte der Dichter Herwegh
seine Deutsche Legion bei Bellingen über den Rhein, um die „Aristokraten" zu
2) Dr. E. Richter: Die Bedeutung der Orts- und Flurnamen für die Siedlungsgeschichte.
„Das Markgräflerland" Jahrgang 27, Heft 2/1965, S. 74—93.
3) Karl Hartfelder: Breisgauer Weistümer. ZGO, Band XXXVI, 1883, S. 248.
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