http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1971-03/0021
schließlich mit Erfolg durchsetzen konnte. Für Philipp mußte eine neue Aufgabe —
außerhalb Burgunds — gefunden werden. Die provenzalischen Grafschaften waren
1481 nach dem Tode des letzten Grafen, Charles III., mit Nachhilfe französischer
Parteigänger an dessen Vetter Ludwig XI. von Frankreich gefallen. Die Umstände
der Besitzergreifung werden in der französischen Literatur als „scabreuses", heikel,
anstößig, bezeichnet. Aber durch die Macht der Tatsachen war das Land dem
legitimen Erben Rene v. Lothringen („le bon roi Rene"), dem Gegner Karls des
Kühnen, entzogen. Dessen Parteigänger waren aber zahlreich und stark. Es entspannen
sich innere Kämpfe, zumal Frankreich provenzalische Privilegien, die dem
Land ausdrücklich durch Vertrag zugestanden waren, verletzt hatte. Karl VIII.
getraute sich nicht, alle Macht in der neuen Provinz in eine Hand zu legen. Die
Besetzung des Amts des Seneschalls der Provence mit dem ehrgeizigen und bedenkenlosen
Aymar de Poitier, Sieur de Saint-Vallier, war eine Fehlentscheidung,
Deshalb setzte er als Gouverneur Francois de Luxembourg ein. Er war dem Sene-
schall aber nur formell übergeordnet, in Wirklichkeit handelte es sich darum, die
Macht zu teilen. Beide Amtsinhaber wurden in den Streit der Parteien verstrickt.
An der Frage, wer die Gewalt über Marseille ausüben könne, drohte sich der
offene Bürgerkrieg zu entzünden. In dieser Lage wurden beide, Gouverneur und
Seneschall, ihrer Ämter enthoben. Am 1. Mai 1493 wurde Philipp v. Hochberg
zum Gouverneur und Grand-Senechal der Provence ernannt, und dadurch wurden
die beiden Ämter vereinigt.
Ausschlaggebend für diese Entscheidung dürften die hervorragenden Fähigkeiten
Philipps auf organisatorischem und militärischem Gebiet gewesen sein. Dennoch
zögerte Karl VIII. zunächst mit der Entsendung Philipps. Diesen erwartete
keine leichte Aufgabe. Seine Vorgänger hatten z. T. eine Günstlingswirtschaft betrieben
und im Parteienkampf willkürliche Enteignungen zum Vorteil der eigenen
Verwandtschaft vorgenommen, zum anderen eine finanzielle Mißwirtschaft hinterlassen
.
Philipp führte alsbald unter der Bezeichnung „Reglement de Saint Vallier"
eine Wiedergutmachung durch, einen Verwaltungsakt, der viel zur Wiederherstellung
der Rechtssicherheit beigetragen haben muß. In Marseille führte er den
Grundsatz ein, daß im „conseil municipal" nahe Verwandte nicht gleichzeitig
Einsitz nehmen können. Die höchsten Magistraten der Stadt, die „consuls", durften
nur mehr nach einem Ausstand von 5 Jahren wiedergewählt werden. Das sind
recht moderne Gesichtspunkte, die damals z. B. schon in Basel oder anderen Orten
der Eidgenossenschaft galten.
Der amtliche Titel Philipps lautete: „Marquis (auch Margrave) de Hochberg,
Conte de Neufchastel, Seigneur de Rotelin, de Seurrre et de Sainct George, Mare-
chal de Bourgongne, grant Senechal. lieutenant general et Gouverneur pour le Roy
es pays et Conte de Provence, Forcalquier et terres adjacentes". Die historische
Provence umfaßte als selbständiges Staatswesen die untere und die obere Provence
sowie die Landschaft Forcalquier westlich der Durance. Ein wesentlicher Bestandteil
des Titels scheint der „Marschall von Burgund" gewesen zu sein. Er gehörte
offenbar nicht nur formelhaft dazu, sondern entsprach Philipps Funktionen als
Kommandeur der französischen Artillerie. Frankreichs Beitrag als Verbündeter der
Eidgenossenschaft im Schwabenkrieg (1499) war die Unterstützung durch seine
Artillerie unter dem Kommando von Philipp von Hochberg. 1503 führte Frankreich
einen Feldzug gegen den Versuch Spaniens, das Roussillon in Besitz zu
nehmen. In dieser Landschaft am nordöstlichen Pyrenäenfluß hatte sich Spanien
nach und nach festgesetzt. Auch hier hatte Philipp zumindest das Kommando
über die Artillerie inne. Aus der ganzen Landschaft von Provence und Languedoc
ließ er die Vorräte an Pulver, Salpeter und Munition nach Narbonne schaffen.
Über Philipps gesamte Tätigkeit finden sich — außer in Marseille und Aix en
Provence — nur zerstreute Belege. Dementsprechend hat er auch in der historischen
Literatur des französischen Südens nur ganz knappe Erwähnungen gefunden. In
127
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1971-03/0021