http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1971-03/0049
Seele, den Geist, die wir nicht vermengen, nicht verwechseln sollten, aufgefangen
zu haben und ständig formen zu müssen. Die Hand und das Auge verrieten mir,
warum Hermann Burte, der Dichter, Dramatiker sein mußte und sich nicht mit
dem einfachen Erzählen begnügen konnte. Diese Hand drängte zur fortwährenden
Gestaltung und Neuerschaffung der Welt, und das Auge glühte von den Bildern,
die es hinter dem Alltag sah, aus dem Gewebe der Phantasie löste und der Sprache
überließ, was der sprachliche Formungstrieb forderte. Ich ahnte damals, daß Burte
geradezu getrieben war, neue Wörter zu prägen, mit dem Wort zu spielen, sich
bis zum Wurzelgrund vorzutasten und aus ihm Weisheit zu schöpfen, im „Wiltfeber"
sich auch mit Nietzsche zu messen, und verwunderlich war es mir nicht, daß bei
solchem Kräfteüberschuß sich auch einmal bizarre Wortbildungen einstellten, ehe die
großen und die zarten Klänge seiner hochdeutschen und seiner alemannischen Lyrik,
von einem Rilke, einem Dehmel einst begeistert begrüßt, sich verschliffen und
schließlich in einfachen, ausgedienten Formen erschöpften.
Der Burte-Gesellschaft unter dem Vorsitz von Rechtsanwalt Herbert Harrer
müssen wir danken, daß sie das reiche Erbe des großen Dichter-Malers so getreu
und verantwortungsvoll pflegt und verwaltet.
Prof. Adolf Strübe in seinem früheren Heim am Sonnenrain
(Aiifn. W. F. Fischer)
Wie anders der Bruder, Professor Adolf Strübe! Äußerlich weit weniger wuchtig
als Burte, hat er doch Hände wie jener, aber sein schmäleres Gesicht könnte eher
auf die Wissenschaft deuten, und in diesem Unterschied der Physiognomien liegt
vielleicht der Unterschied ihrer Malweisen begründet. Adolf Strübe hat das Wiesental
auch in sich aufgenommen und gemalt, aber es ist, als ob er nur von seinem Geist
angehaucht wäre und nur das Sublime des bloß Geahnten hinter der Natur und dem
Menschen malen könnte oder müßte. Bei ihm erleben wir „die gleichmäßige Durchdringung
von Vernunft und Natur", die für Carl Gustav Carus, den bedeutenden
Freund Goethes, das Schöne ausmacht, und immer wieder erscheinen seine Bilder
als Dokumente spannungsreicher Auseinandersetzungen zwischen Leben und Geist,
bei denen der Geist so stark ist, daß er dem Leben eine neue Gestalt gibt.
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