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andere deutsche Länder gaben sich ähnliche Gesetze — zum Erlaß des erwähnten
fortschrittlichen, in den Grundzügen noch heute gültigen Forstgesetzes von 1833,
das sich in der Folge als ganz außerordentlich erfolgreich und dabei sehr praktikabel
erwies. Die in jener Zeit zunächst alle vermessenen Staats- und Gemeindewaldungen
erhielten klare Grenzen, sie wurden nach Baumarten, Altersklassen,
Vorrat und Zuwachs inventarisiert und eine Wirtschaftsplanung erstellt. Dies
wiederholt sich nun mit der sogenannten Forsteinrichtung, bis heute alle 10 Jahre,
wobei jeweils Hiebsatz, Kulturmaßnahmen und Wegebauten geplant werden. Die
Forstverwaltung wurde neu organisiert. Nachdem sich tüchtige, gebildete Forstpraktiker
schon im 18. Jahrhundert Fragen der forstlichen Praxis, -Wissenschaft
und -Ausbildung gewidmet hatten, nahm die forstwissenschaftliche Universitätsausbildung
im 19. Jahrhundert einen enormen Aufschwung. Die deutsche Forstwirtschaft
und -Wissenschaft errang Weltgeltung. So wurde ein deutscher Forstmann
, Carl Alwin Schenck, Ende des 19. Jahrhundert zum Vater der Forstwissenschaft
in den USA.
Die badischen Forstleute studierten hauptsächlich an der technischen Hochschule
in Karlsruhe, bevor die Universität Freiburg vor ca. 50 Jahren eine forstwissenschaftliche
Abteilung erhielt.
Diese stürmische Entwicklung nach 1833 führte also zu einem ausgedehnten
Waldaufbau, anfangs zum Teil durch Saat, dann mehr und mehr durch Pflanzung
von Nadelhölzern, wobei die Fichte wegen ihrer Unempfindlichkeit, Billigkeit und
vielseitigen Verwendbarkeit stark bevorzugt wurde. Dies kommt auch in den
Pollenanalysen für die letzten 150 bis 200 Jahre überall deutlich zum Ausdruck.
Daß die Fichtenreinbestände — mehr Holzplantagen als Wald — jedoch gegen
Sturm, Schnee, Pilz- und Insektenschäden besonders anfällig sind, zeigte sich erst
später und schmälert das Verdienst der verantwortlichen Forstleute dieser Pionierzeit
keineswegs.
Das im wesentlichen vollendete Bahnliniennetz, der verstärkte Schiffsverkehr
und der enorme industrielle Aufschwung der Gründerzeit nach 1871 verstärkte
den Wandel in der Forstwirtschaft. Der Nutzholzbedarf nahm laufend zu, Bauholz
, ab etwa 1900 Papierholz, Grubenholz, Schwellen, Furnierhölzer, Werkhölzer
für vielerlei Gebrauchsgegenstände und Innenausstattung waren gefragt.
Die Bedeutung des Waldes als Brennholzlieferant ging im selben Verhältnis zurück
; eine Entwicklung, die nach den beiden kriegsbedingten Unterbrechungen, als
der Wald wieder der große Wärmespender wurde, seit Aufkommen der Ölheizungen
nochmals verstärkt abfiel. Trotzdem: Bis zum ersten Weltkrieg wurde Brennholz
aus den grenznahen Waldungen von Baden nach Mülhausen verkauft, bis
nach dem ersten Weltkrieg nach Basel, und noch heute werden, dies ist aber weit
mehr als Landesdurchschnitt, aus dem Forstbezirk Kandern noch 7000—8000 Ster
Brennholz pro Jahr verheizt. Hand in Hand mit der allmählichen Umstellung
der Brennholz- auf die Nutzholzwirtschaft ging der Waldwegebau, an dessen
optimalem Erschließungsgrad noch jetzt gearbeitet wird.
Manche heutige Kreis- und sogar Landesstraße, wie die Wehratal-, Beleben-,
Kandel- oder hintere Kandertalstraße verdankt ihr Entstehen mit oder ausschließlich
der Forstwirtschaft.
Diese zweite große Landflucht- und Intensivierungswelle der Landwirtschaft
in der Gründerzeit, die bis zum ersten Weltkrieg dauerte, hatte unweigerlich auch
wieder forstwirtschaftliche Auswirkungen. Weizenimporte aus Ubersee ließen auf
ehemaligen Ackerflächen Wiesen entstehen, Justus von Liebig begründete die moderne
Düngewirtschaft, die zweitschlechtesten Weid- und Reutberge (nach den
1800/1850 aufgeforsteten) wurden wiederum in der Größenordnung von Zehntausenden
von Hektar allein in Baden angebaut, weitgehend mit Fichte, den sog.
„Caprivi-Fichten", weil die Aufforstungen mit eine Folge der Liberalisierung des
deutschen Außenhandels unter dem Nachfolger Bismarcks waren. Die aufgegebenen
und für den in die Stadt abgewanderten Besitzer wertlosen Flächen wurden häufig
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