http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1972-01-02/0048
Bürchau, gegen Sonnhalde, 's Ufertbrütli (Aufn. Fr. Schülin)
Wenngleich das Alpha der Altvorderen keine Pergamentrollen ziert, stehen die
kerbigen Runen, die sie mit harten Fäusten in die Waldwildnis schrieben, unaus-
löschbar im Duden der Landschaft. Von ihrem Fleiß zeugt, daß im 14./15. Jahrhundert
dem Wald viel mehr Land entrissen war, als Menschenaugen im 20. Jahrhundert
wahrnehmen. Dafür bürgen die energischen Vögte von Tegernau, die 1692
und 1752 mit dem Wissen, das ihre Ahnen von Ohr zu Ohr weitergaben, die
Rechte der Vogtei nutzbringend verteidigten, so daß ihnen kein Mensch das
Gegenteil beweisen konnte. Ihr Argument der „vielen Steinhaufen, die sich in
unseren Wäldern befinden", dürfte stichhaltig die Glaubwürdigkeit festigen. Wer
sich jedoch auf Grund dieser Ausführung geistig an das südliche „lueg ins Land"
des Belchens zurückzieht und mit dem Fernrohr Felder der alten Zeit mit
wogendem Getreide im Wechsel der Farbabstufung von Ackerfluren heranholt,
der irrt! Ackerbau wurde im Kleinen Wiesental stets klein geschrieben. Gesunder
Menschenverstand möge an dieser Stelle das blumenreiche „Aktendeutsch von
Gestern" im Detail ersetzen; Klima und Bodenbeschaffenheit als natürliche Voraussetzung
für Saat und Ernte sind in dieser Waldgegend keine Grundlage für
das tägliche Brot. „Die Gegend ist rauh, die Menschen sind rauh, die Lebensart ist
rauh", so umschrieb Landphysikus Brodhag vor 200 Jahren die Dörfer, die sich
im Einzugsgebiet zwischen Quelle und Mündung der beiden kleinen Gewässer, die
dem Tal den Namen geben, befinden. Wohl pflügten die Bewohner des Tales den
kargen Boden, der mehr oder weniger eben in Dorfnähe lag, um. Für die meisten
Waldorte gilt die Feststellung von 1760: „Die Erde ist rar, das Terain
bestehet aus grobem Sand und Steinen. Die Leute haben keine Felder wie auf dem
Lande, sondern brechen alle 7—8 Jahre ein Stück von einem Berg heraus und beblühen
solchen mit Roggen, Habern und etwas Korn, weilen letzteren wegen lang
anhaltender Winterkälte nicht wohl zu gerathen pflegen; währet der Winter zu
lang, so verfault ihnen der Samen unter dem Schnee, daß sie kaum soviel Früchte
machen, als sie ausgesäet. Nach Oberservation der Einwohner gibt es im Herbst
und Frühjahr viele Nebel, welche, wann sie im Frühjahr um und nach Pfingsten
zu oft kommen, die Blüten der Roggen verstickt".
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