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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
34.1972, Heft 1/2.1972
Seite: 55
(PDF, 23 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1972-01-02/0057
den", setzte sich der Markgraf über die Ansicht des besonders schlauen Hofraths
hinweg, der in seinem Gutachten meinte: „Die Herren von Hochberg haben lange
Zeit vor der Reformation gelebt, nach päpstlichem Recht gehörte damals alles dem
Clero und die Hochberger konnten dieses Privileg überhaupt nicht verleihen". Für
Karl Friedrich war nur der Wille seines Vorgängers Wilhelm von Hachberg maßgebend
, der für sich und seine Erben bindend, den Landeskindern in der Wald-
vogtei die Heuzehntfreiheit für ewige Zeiten versprach; mit Datum vom 2. April
1753 confirmierte er das alte Recht. Für Tegernau hieß das: Alle Matten (nicht
Felder) innerhalb der Vogtei sind zehntfrei, eingeschlossen der bis 1752 geschaffenen
„Neumatten". Jürgen Tacke meint richtig in seiner Agrarstudie (Markgräfler-
land 1956/2, Seite 47) „ein Stichjahr für die generelle Festsetzung dessen, was
als Neubruch anzusprechen sei, gab es im Oberland nicht, es wurde jeweils von
Fall zu Fall entschieden". Der „harte Fall" von Tegernau diene als Beweis für die
Entscheidung im Ausnahmefall.

Zwei Dörfer am Ende des Tales, Bürchau und Neuenweg, führten Jahrzehnte
später den Kampf um die zehntfreie Nutzung der Matten, die ihre Vorväter fußbreit
dem Wald entrissen, weiter, und zeigen beispielhaft das sinnvolle „Hand in
Hand" in positiver und negativer Auswirkung für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit
der nachfolgenden Generationen.

BÜRCHAU mit seiner langen Geschlechterkette währschafter Alemannen, war
durch alle Zeiten bis 1781 kommunalpolitisch der Vogtei Tegernau angeschlossen.
Verschiedene Ursachen ließen den Entschluß zur Gemeindeselbstverwaltung reifen.
Im Wonnemonat Mai des Jahres 1781 wurde auf dem in Bürchau abgehaltenen
Frevelgerichtstag gleichzeitig der 1. Vogt gewählt und vom Oberamt als „taugliches
Objekt" bestätigt. Vogt Kiefer war ein energischer, tüchtiger Mann, seine
schauderhafte Schrift läßt auf Hände schließen, die das Vätererbe würdig verwalteten
und mit Pflug und Haue besser umzugehen wußten, als mit Papier und
Federkiel. Er war ein Mann der Tat. Seine erste Frage galt der Heuzehntfreiheit,
die er seinen Bürchauern gesichert wissen wollte. Zwar war das alte Recht unumstritten
, denn Bürchau war als „Filial" von Tegernau seit eh und je in die Zehntfreiheit
einbezogen, und die herrschaftliche Konfirmierung der Rechte von 1753
galt für Bürchau ebenso wie für Tegernau selbst. Der neue Vogt ließ sich indessen
trotz mündlicher Zusage nicht besänftigen, er wollte es schriftlich nach dem Grundsatz
, „was schwarz auf weiß geschrieben steht, kann man getrost nach Hause
tragen". Der Bürchauer Vogt wartete anfänglich wöchentlich, später täglich auf
die erbetene und vom Oberamt zugesicherte Neuzehntfreiheitsbestätigung; die
Sonne ging auf, die Sonne ging unter, der Vogt wartete vergeblich. Inzwischen
meldete sich der April 1782, neue Erdenbürger erblickten in den 11 Monaten des
Wartens das Licht der Welt, und die Muttergemeinde Tegernau harrte der durch
die Gemeindeteilung bedingten finanzpolitischen Auseinandersetzung mit dem
Bürchauer Amtskollegen. Anscheinend riß bei Vogt Kiefer nun doch der Geduldsfaden
, er setzte sich auf den Hosenboden, schrieb trotz Sträubens der Feder einen
Brief, holte sich einen Bürchauer, der durch die Akte als „Bott" geistert, schickte
ihn aufs Oberamt und gab ihm den Auftrag, der sinngemäß in der Sprache des
Tales so lautete: „Seisch e schöne Grueß ans Oberamt und frogsch, öb sie no nit
bal usgschlofe hän. Bevor ich mi alte Heuzehntbrief nit ha, rechne ich mit de
Tägernauer nit ab"!

Ohne Eindruck blieb die mündliche Mitteilung des Boten nicht, das Oberamt
schrieb postwendend nach Karlsruhe, legte Erinnerung ein und bat befürwortend
um baldige Entscheidung, damit „die Sache aktenkundig gemacht werden kann".
Obwohl in jener Zeit der Amtschimmel noch im Taschenformat wieherte wartete
der Bürchauer Vogt drei volle Monate, bevor er seinen nächsten „Brandbrief" losließ
, erst beim dritten Schreiben meldete sich schließlich ein vergeßlicher Geheimrat
aus Karlsruhe, der dem Oberamt Rötteln berichtete: „Bei meinem ohnlängst
angefertigten Gutachten hatte ich die Acten von der Heuzehntfreiheit 1753 der

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