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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
34.1972, Heft 1/2.1972
Seite: 57
(PDF, 23 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1972-01-02/0059
geblieben", bewogen, eine „nützliche Sache zu notieren", nämlich die Pfarrkompetenz
. Er definiert genauer und schreibt, daß dieser von Neuenweg und Heubronn
18 fl beträgt und auf Martini verfällt. Da bis jetzt kein Aktenmaterial darüber
Auskunft gibt, wie das Beichendorf auf die herrliche Idee kam, dem Seelsorger
den zehnten Teil des Viehfutters abzutreten, kann man nur vermuten, daß bei
einem Pfarrwechsel (lt. Pfarrakten Neuenweg waren es in der fraglichen Zeit ihrer
sechs) der neu am Horizont der Kirchenpforte aufziehende Geistliche den von der
vorigen Gemeinde gewohnten Heubezug auf Neuenweg ausdehnte und in den Kleinzehntbetrag
miteinschloß, denn beide werden in einem Atemzug satzmäßig verbunden
in klingender Münze fixiert. Möglicherweise stolperte die „Commune
Neuenweg" über die drei Buchstaben, die den zehnten Teil der Bergmatten beinhalteten
, ohne den Stein des Anstoßes zu bemerken. Der Mentalität der Bergdorfbewohner
entsprechend wäre denkbar, daß, wenn d Neuwäger Johr für Johr
s Heu sälber in d Pfarrschüre hätte füehre müeße, spötestens bi de zweite Fuehre
sone hagebuechene, alte Wälderbuur s Pfifli usgchlopft und gseit hätt: „was sin
denn das für Mödeli? so öbbis isch bi üs nie de Bruch gsi". Zäh und verbissen
um die Existenz ringend, legten indessen die Bürger und Bauern des Dorfes das
Schwergewicht des Denkens auf die Erhaltung der täglichen Notdurft, für den
Papierkram war der Vogt zuständig. Neuenweg weist zum Teil ausgezeichnete
Vögte in der Geschichte des Dorfes aus, dem Quantum an qualifizierten Persönlichkeiten
sind jedoch natürliche Grenzen gesetzt. Die Vögte der folgenden Jahre richteten
ihr Augenmerk weniger auf die Heuschochen des eigenen Dorfes, als auf die
Waldungen des zum Kirchspiel gehörenden Nachbardorfes Bürchau, das dem
Pfarrer von Neuenweg „6 Kläfterlein Holz geben soll und pardout nicht gibt".

Erst die Urenkel erwachen, wehren sich um ihr Heu und zahlen für das „Guten
Morgen" mit einem verlorenen Prozeß. Für die Sünden der Väter büßen immer
die Nachkommen, das war so, das bleibt so. - 1803 wurde Pfarrer Fischer von
Emmendingen nach Neuenweg versetzt. Er wollte kein Geld, er wollte den Naturalbezug
. Beim Wörtlein „Heu" wurden plötzlich die Neuenweger putzmunter,
geschlossen meinten sie: „mir gän kei Heu ab - mir sin heuzehntfrei". Doch als
der gute Pfarrer den Beweis dieser Behauptung wollte, zuckten sie die Achseln.
Pfarrer Fischer fischte im Trüben, er kannte nur die Unterlagen im Pfarrarchiv,
und diese besagten eindeutig, daß die Pfarrei in den vergangenen 70 Jahren den
Heuzehnten von der Gemeinde in Geld bezog; was vordem war, wußte der Hirte
im Pfarrhaus ebensowenig wie die Schäflein im Dorf. Letztere wußten überhaupt
nichts, sondern verließen sich auf das „Gehörte und Gesagte". Jeglicher gütliche
Vergleich schlug fehl und Pfarrer Fischer erhob Klage beim kurfürstlichen Hofgericht
in Rastatt. Mit leeren Händen standen Kläger und Beklagte vor den
Richtern und löffelten die Suppe aus, die drei bis vier Menschengenerationen zuvor
gekocht wurde. Um Licht in die verworrene Angelegenheit zu bringen, fällte das
Hofgericht 1804 das Zwischenurteil, das besagte, daß beide Parteien binnen vier
Wochen den Beweis für ihre Behauptung anzutreten haben. Neuenweg glich einem
Bienenschwarm; die große Suche nach der berühmten Stecknadel im Heuschober
begann. Der Pfarrer bat das Gericht um Fristverlängerung. Er benötigte Abschriften
, die ihm das Heu beweisen sollten, das ihm die Neuenweger eigentlich nie
schuldig waren. Der Stab der Gemeinde war auf der Pirsch nach dem alten Heu-
zehntfreiheitsbrief, der gar nicht vorhanden war, weil die Altvorderen vor 118
Jahren ihn anzufordern vergaßen. Die Ursache des vergeblichen Suchens konnten
jedoch 1804 beide Parteien unmöglich erkennen, denn wo stand geschrieben, daß
dem so war? Fehlerquellen jedweder Art werden nie in der Aktualität des Geschehens
, erst im zeitlichen Abstand ersichtlich, menschliche Stärken und Schwächen
erst im Rückblick lebendig, einseitige Darstellungsformen erst nach Jahrdutzenden
durch Zwiesprache mit dem Zeitbild im Zusammenhang überholt. Nur so ist der
sinnlose „Heukrieg" am Fuße des Belchens verständlich; beide Parteien waren von
ihrem Recht überzeugt. Die Jagd nach dem Beweismaterial ging weiter. Der Pfarrer

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