http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1972-01-02/0074
langsam Fortschritte. Brauchte man schon im vorigen Jahrhundert von 1813 bis
1853 so lange vom Plan bis zur Ausführung, so ist auch jetzt ihr — allerdings
großzügiger — Ausbau noch nicht bis Rohmatt gediehen, und einem Landesfürsten
könnten auch heute wieder die Tränen kommen ob ihren Schlaglöchern. Waren in
den 50er Jahren erst einige Motormäher als Helfer der Bauern vorhanden, so ist
der Maschinenpark jetzt weitgehend ergänzt durch Schlepper, Mulags und Ladogs,
neuerdings auch durch Heuraupen und vereinzelt durch Ladewagen. Die Romantik
früherer Zeiten ist der nüchternen Technik von heute gewichen. Man hört nicht
mehr das laute Geißelklöpfen der Hirten auf den Bergweiden, nicht mehr den
weithinschallenden Ruf: „Fahr heim" wenn es Zeit war zum Heimfahren: das
Vieh weidet in Koppeln, die mit Elektrozäunen den Hirten überflüssig machen.
Doch trifft man selbst im vorderen Wiesental noch ältere Menschen, die sich gut
an ihre Hirtenzeit im Hinterhag erinnern können. Nach dem letzten Krieg kamen
die Hirten aus Holstein, und auch sie haben ihren Aufenthalt im Schwarzwald
nicht vergessen, mußte doch erst im vergangenen Sommer unsere Nachbarin nach
Flensburg reisen, um beim Jüngsten ihres „Hirten" Gotti zu sein! Das bunte Bild
wogender Getreidefelder zwischen grünen Matten wandelt sich mehr und mehr
zum einförmigen Grünland, in dem sich in zunehmendem Maße „Kultursteppe"
breit macht, u. a. an Böschungen und „Hohrainen", an denen früher noch jeder
Halm gemäht wurde. Nach Jahren stellt sich dann auch dort eine ausgeglichene
Wildvegetation ein: Heidelbeeren, Erika, Farnkraut und Dorngehürst bilden eine
neue Flora. Aber auch soziale Zusammenhänge haben sich geändert: war man
früher nur existenzfähig auf Grund der Nachbarschaftshilfe, so ist durch die
Technik eine Emanzipation, aber auch eine Isolierung eingetreten. Man „braucht
sich" nicht mehr wie früher zum gegenseitigen Vorspann, wenn man mit vier
Ochsen das Heu aus den Löchern und Grachen heraufziehen mußte. Das machen
heute die Seilwinde oder neue Wege. Man geht nicht mehr ans gemeine Werch,
um nach Unwettern die Auskehren der Wege aufzumachen und die Straßen zu
flicken. Man geht kaum mehr zu Fuß die steilen Wege hinunter: man fährt Auto
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