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Abschrift 1457 Mordun-owa) als * Mordunum erschlossen werden. Ohne jede
Spur verschwand auch der vordeutsche Name des bedeutenden Römerbades von
Badenweiler.
Bevor wir aber versuchen, den Übergang des SN. * Noviomagus in eine Gewässerbezeichnung
siedlungshistorisch und sprachlich deutlich zu machen, muß der
noch ausstehende Übergang von Noviomagus in Niumaga aus lautlicher Sicht geklärt
werden. Für Neumagen (Bernkastel) überliefert Ausonius, der an Ort und
Stelle weilte, die Form Noiomagum, d. h. in Noio — die vulgärlateinische Lautung
— dies zu einer Zeit, als die Alemannen das vermutete * Noviomagus am
Oberrhein kennen gelernt haben konnten. Möglicherweise wurde die Form Noiomagum
vor oder während der Übernahme durch germ. Stämme noch zu * Noi-
magu(m) synkopiert, vgl. 765 Zarduna <C • Tardun- statt Tarodunum, Mordun-
owa/Ortenau <C * Mordun- statt * Moridunum. Der Diphthong /oi/ in * Noi(o)-
magu fehlt indes dem Phoneminventar des Ahd., so daß eine frühe Anlehnung an
das in ONN. unflektiert auftretende Adjektiv ahd. niu(wi) „neu", vgl. 737 Niu-
faras (Traditiones Wizenburgenses 15 nr. 8), jetzt Niefern im Unterelsaß, oder
914 Niuseze, 1155 Niusazen, jetzt Neuses (Kreis Koburg) 15), wahrscheinlich ist16).
Für vorgerm. * Noi-mag- tritt ahd. Niu-mag- ein. Soweit der Versuch, die Entwicklung
Noviomagum — Niumaga — Neumagen zu verstehen. Unklar bleibt, woher
die Endung /-a/ in Niumaga (Bernkastel) kommt, das für * Noi(o)magu(m), den
Richtungskasus „nach N", oder für * Noi(o)mago, den Ortskasus „in N." steht,
vgl. ebenso Zarduna für Tar(o)dunu(m). Wurde die Endung etwa in der Formel
* Noi(o)magu/o mit dem ahd. Dativ der weiblichen o-Stämme (gebu/o) identifiziert
, und von dorther ein o-Stamm mit dem Nominativ auf /-a/ (geba) substituiert
? Dafür könnte sprechen 816 in Zartunu neben 856 villa Zartuna. Einen
anderen Grund dürfte die Umgestaltung von Noviomagus zum schwach deklinierten
Femininum, ahd. Niumaga/-ün beim FlN. Neumagen haben.
Th. Geiger bemerkt a.a.O.: „Der Wortkörper Neumagen ist nicht von der
Reihe der übrigen auf kelt. * Noviomagus beruhenden ON. zu trennen, und man
muß annehmen, daß — wie bei Tarodunum > Zarten — der ON. sekundär auf
den Fluß übertragen worden ist." Sie verweist uns für den Vorgang der Uber-
tragung des SN. * Noviomagus auf den Fluß Neumagen auf die Geschichte des
Namens Tarodunum/Zarten. Diese läßt sich kurz so schildern17): Das kelt. oppi-
dum Tarodunum fand am Ort selbst keine Nachfolgerin. Doch lebte der Name
bei der einheimischen Bevölkerung weiter und wurde an die Alemannen weitergegeben
. Später scheint er (ahd. Zarduna) für das ganze Zartener Tal gegolten zu
haben, in dem an verschiedenen Siedlungen entstanden. D. h. aus einem SN. wurde
ein Landschaftsname. Zu dieser Zeit wurde auch der Fluß, an dem Tarodunum
lag, der heutige Roth- oder Höllenbach, mit dem Namen Zarduna benannt. Durch
ihn gelangte Zarduna nämlich bis tief in den Schwarzwald an die Quelle des
Rothbachs bei Hinterzarten (= In der Zarten!). Die Übertragung könnte über
folgende Formeln gegangen sein: das wichtigste Gewässer der Landschaft Zarduna,
das außerhalb dieses Raumes germ. * Rotaha hieß, wurde etwa „das Wasser von
Zarduna" genannt, verkürzt „das Wasser Zarduna" und schließlich einfach „die
Zarduna", vgl. den Flurnamen „in der Zarten" (s. o.).
In ähnlicher Weise müssen wir uns wohl auch die Übertragung von * Noviomagus
vorstellen. Der Name der seit dem 3. Jh. verlassenen oder zerstörten (?)
Römersiedlung, die wir oben voraussetzten, wird von den landnehmenden Alemannen
nicht mehr als SN. sondern als Raumbegriff für die fruchtbare Gegend um
das heutige Krozingen am Eingang des Münstertales verwendet, vgl. SN. * Mordu-
«wm/Offenburg — Landschaftsnamen Mordun-owa/Ortemu um Offenburg. Innerhalb
dieses * Noi(o)magu/* Niumaga genannten Kleinraumes entsteht unter
anderen auch die Siedlung (807) Scrozzinca. Der Landschaftsname wird dann auf
das bedeutende Gewässer des Raumes übertragen: „das Wasser von Niumagu" —
„das Wasser Niumagu" — die Niumaga. Die Umgestaltung von kelt. * Novio-
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