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auf die Insel, um mit Gewalt Eicheln zu schwingen. In Haltingen läuteten die
Glocken Sturm, wo ebensoviele Männer, mit Bauernwaffen ausgerüstet, zum
Gegenangriff auf das Bändli marschierten, um die Frevler mit Gewalt zu vertreiben
, welche doch nicht mit „guten Worten zu belehren" seien. Der Weidgeselle
drohte mit einer Büchse und ein Bürger sogar mit der „Schießgabel" und dem
Seitengewehr. Der Vorfall wurde vor den zuständigen Gerichten hart ausgefoch-
ten, der Streit um das gemeinsame Bändli bis ins 18. Jhdt. weitergetragen.
Bürger der Stadt Neuenburg pfändeten 1601 den Genossen von Schlierigen auf
den strittig gewordenen Rheininseln Neuenwerth und Obergrien über dem Rhein
acht und denen von Steinenstadt drei Rosse. Die Schliengener antworteten umgehend
mit der Gefangennahme von zehn Holzfällern aus Neuenburg, welche
sie auf den Rheingrienen angetroffen hatten.
Beim Weidstreit zwischen Kleinkems-Bl ansingen diesseits und Großkems enet
des Rheins hatten sich 1631 nach dem Auswerfen von drei wichtigen Grenzsteinen
auf den Inseln durch „böse Buben" die Spänne zu bösartigen „Tätlichkeiten rigoros
", ja bis zu „besorglichen Totschlägen" ausgeweitet. Die Großkemser Frevler
wurden gefangen und in den Röttier Turm geführt. Danach mußten sich die zuständigen
Regierungen zu Ensisheim und Rötteln mit viel strapaziösen Gängen
an die umstrittenen Grenzorte und um den Frieden bemühen.
Aber selbst die engsten Nachbarn und gemeinsamen Kirchgänger von Istein
und Huttingen vertrugen sich nicht mehr miteinander und führten einen lOOjähri-
gen Krieg um Holz und Weide in bisher gemeinsam genutzten Wäldern. Es begann
1690 mit dem „Verhauen" des Isteiner Hirten auf einem strittigen Wert, in welches
danach die Huttinger Vettern ihr Vieh trieben, während die Isteiner brav
in der Kirche saßen. Die Händel steigerten sich bis zu endlosen und kostspieligen
Prozessen, die bis vor das Reichskammergericht nach Wetzlar kamen, wo der Streit
endlich nach Jahrzehnten mit Schulden und „Tränen" zu Lasten der Huttinger
entschieden wurde.
So wie die beiden Klotzendörfer im 17./18. Jhdt. wie feindliche Brüder unter
dem gleichen Stab einer Vogtei um bescheidene Dinghof- und Klosterwaldungen,
welche sie als gemeindeeigen betrachteten und als ihre Allmenden bevorzugt ansprachen
, hart und zähe stritten, führten auch die anderen Gemeinden als einstige
friedliche Genossen auf den Auen und Werthen im Stromgebiet durch Generationen
erbitterte Prozesse, welche bis zu den letzten Instanzen führten. Sie riefen um
Rat, Beistand und Schiedspruch ihre zuständigen Herren an. Das vorübergehend
an Basel versetzte Groß-Hüningen suchte Hilfe beim Rat der Stadt, Großkems
und Neuenburg beim vorderösterreichischen Landvogt in Landser oder beim
Hohen Gericht in Ensisheim, die basel-bischöflichen Orte am Rhein beim Landvogt
in Birseck oder Schliengen oder beim Hofgericht in Pruntrutt, die Markgräfler
beim Siebenergericht auf dem Kapf bei Rötteln und weiter beim fürstlichen Hofgericht
Carlsburg oder Karlsruhe. Verständlich ist daher seit den wachsenden
Unsicherheiten der Hoheits- und Banngrenzen der benachbarten kleinen und
großen Herren, Gemeinden, Vogteien und Filialen, das gegenseitige Drängen und
Begehren nach sicheren Grenzmarken, welche im 16. Jhdt. herrschaftlich bestimmt
oder angeordnet wurden, im nachfolgenden Kriegsjahrhundert aber, wie viele
Volksrechte, vergessen wurden und verloren gingen. Schwierig gestalteten sich
sodann die notwendigen Auseinandersetzungen, wenn sich alte Dorfrechte als
Gewohnheitsrechte mit den Hoheitsansprüchen der Grund- und Landesherrschaften
überschnitten oder überdeckten. Meist konnten weder die ansässigen Geschlechter
, Bauern wie Herren, ihre vermeintlichen „altüberkommenen" Rechte mit
schriftlichen Beweisen und Zeugnissen belegen oder alte Männer als beweiskräftige
Zeugen berufen, welche ihre von den Voreltern überlieferten Erfahrungen aus
„ohnvordenklicher Zeit" vorbrachten oder sich auf sagenhafte Hinweise beschränkten
. So soll der Stockertwald von einem Röttier Edelfräulein, der Holzen-Einig-
Wald ebenso von einem gewissen Fräulein, das Nonnenholz bei Weil vom Landes-
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