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Kartenrand malte Daur eine Flasche, sie war eine Ankündigung auf sein Mitbringsel
aus dem Weindorf Oetlingen. Der Besuch fand aber vermutlich nicht
statt, denn mit einer Karte vom 4. Dez. 14 kündigt er ihn für den 7. 12. an,
einen Montag, und schreibt „bei ganz schlechtem Wetter am Mittwoch, denn
bei Nebel und Regen den Weg zu machen, wäre bei seiner Länge nicht ganz
schön."
Inzwischen hatte man schon beredet, daß er vom Jüngferli ein Bild malen
wolle. Er schreibt am 11. Januar 1915, er wolle, vorausgesetzt „daß Dich Deine
werten Eltern eine Woche entbehren können" am Samstag nach Minsein kommen
und am Abend wollen sie beide zusammen nach Oetlingen zurückkehren.
„Auf dem Rückweg wollen wir über Adelhausen nach Eichsei. . . ich will die
drei gottesfürchtigen Jungfrauen etwas näher ansehen, gemeinsam mit Dir . . .
denn ich habe in katholischen Gotteshäusern immer eine große Scheu, weil man
zu leicht stören kann, es dürfte z. B. nur ein junges Maidelein in einem Beichtstuhl
ganz inniglich drin sitzen, da würden doch meine harten Schritte etwas
erschrecken . . .*
Der Besuch des Jüngferli in Oetlingen muß stattgefunden haben, denn aus
einem Brief vom 19. Februar 1915 geht hervor, daß das Portrait fast fertig ist.
Daur geht darin bis ins einzelne auf den Rahmen für das Bild ein, schlug Nußbaum
mit einer kleinen Goldleiste vor, er habe vor, am 1. März ein Muster
davon zu bringen, dann sollte sie aber noch einmal mit nach Oetlingen kommen
, um noch einmal eine Sitzung abhalten zu können, er habe das Empfinden,
daß auf dem Portrait das rechte Auge etwas zu scharf ist, „was ja schnell
geändert wäre".
Tags darauf, am 20., teilt er noch mit, daß er 8.23 Uhr in Steinen ankomme
und über Adelhausen und den Belchenblick wandere „falls Du Zeit
hast, dem Maler entgegen zu gehen!" Dies tat das Jüngferli anscheinend öfter,
es kam, wie aus anderer Post einmal hervorging, auch vor, daß sie ihn verfehlte
.
Am 27. März 1915 schreibt Hermann Daur, er habe am Portrait den Himmel
noch etwas heller gestimmt. Er freue sich, denn die letzte Arbeit habe die
Zweifel verscheucht, welche er noch wegen des rechten Auges gehabt habe. Mit
Onkel-Papa, vermutlich dem Pfarrer Baier, habe er ausgemacht, daß er nach
Ostern nach Minsein komme. Abends könne sie wieder mit ihm nach Oetlingen
zurückkehren, denn sie solle doch noch einmal zum Onkel Doktor gehen.
Sichtlich war das Fräulein Trüby in jener Zeit nicht gut zuwege. Daur schreibt
noch, es sei für ihn auch schöner, mit ihr den Weg zu gehen als allein. So lange
Krieg sei, werde er die Malerei auf dem Dinkelberg nicht fortsetzen, weil er
sonst in Gefahr komme, als Spion verhaftet zu werden, wie es ihm kürzlich
beinahe in Wollbach passiert wäre.
Am 3. April 1915 bedankte sich Daur beim Jüngferli für einen Brief von
ihr und schreibt seinerseits: „Meine große Oceanreise nach der See- und
Handelsstadt Minsein findet am 10. April statt, da werde ich kommen mit der
Bilderkiste auf dem Malerrücken . . . sollten an diesem Tage Laible vom Himmel
fallen, so wird dies ein Grund sein, die Reise aufzuschieben . . . ich freue mich,
wenn das Bild einmal in Eurem Stüblein hängen wird ... es möge allen stets
eine Freude sein ..." Unter den Gruß, auch von seiner Frau und an ihre Eltern
gerichtet, malte er einen fürbaß marschierenden Malersmann mit einer großen
flachen Kiste auf dem Rücken.
Auf der nächsten Karte, sie trägt das Datum vom 15. Mai 1915, zeichnete
Daur mit Farbstiften, wie das Volk in Minsein zum Hause Trüby strömt,
um das Bild vom Jüngferli zu betrachten. Er gab hier seiner Freude Ausdruck,
daß es ihr gesundheitlich wieder besser gehe, „denn das darf unbedingt nicht
sein, daß ein junges Mägdlein schon so krank wird und gar so, wie es gewesen
ist. Diese Karte trägt übrigens den zeitgemäßen Stempel „Geprüft Überwachungsstelle
Waldshut, XIV. Armeekorps".
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