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von Bauland ist der fast einheitliche Tenor in den einzelnen Jahresrückblicken.
Die Anlage von Hochhäusern und großen "Wohnblocks verändert zunehmend das
alte Siedlungsbild. Im Zusammenhang mit der Anlage neuer Industrien rechnet
man hier mit einer 50—100°/oigen Zunahme der Bevölkerung innerhalb der nächsten
10 Jahre. In den vom wirtschaftlichen Aufschwung weniger berührten Gemeinden
im Schwarzwald ist die Einwohnerzahl dagegen stagnierend oder gar
rückläufig. Einen Ausgleich soll eine verstärkte Fremdenindustrie bringen, für die
bedeutende Aufwendungen für Kurhäuser, Sanatorien (Todtnauberg, Bad Bellingen
, Badenweiler), Gemeindezentren (mit Hallenbädern, Sportanlagen, Bildungsstätten
und Mehrzweckhallen), Waldsportpfade, Minigolfanlagen usw. gemacht
worden sind.
Erfreulich erweitert hat sich wieder das Angebot für die öffentliche Bildung
an den zahlreichen Volkshochschulen, deren Kurse und Vorträge immer stärkeren
Zuspruch erfahren. Voraussetzung ist dafür der in den meisten Gemeinden weiter
betriebene Schulhausbau (Lörrach, Herten, Schopfheim, Zell, Todtnau, Wyhlen,
Steinen, Neuenburg). Immer mehr hält die vorschulische Erziehung in Verbindung
mit der Einrichtung neuer Kindergärten auch in kleineren Gemeinden
Einzug. (Ballrechten, Britzingen, Wittlingen, Schallbach u. a.)
Die zunehmende Lebenserwartung fordert den Bau weiterer Alters- und
Altenpflegeheime (Lörrach, Weil). Im Dienste der Altersfürsorge beschließt der
Gemeinderat Lörrach einen „fahrbaren Mittagstisch a (9. 11. 72).
Wenig geschah in der Berichtszeit im Ausbau der Verkehrsanlagen. Das gilt für
den gesamten Bereich des Wiesen-, Kander- und Rheintals und ihrer Querverbindungen
. Der Bau der Umgehungsstraße Eimeidingen — Lücke — Waidhof — Rhein-
felden wurde wegen Neuplanung im Bereich Lörrach einstweilen gestoppt.
Die Aktivität auf dem kulturellen Sektor ist erfreulich. Träger sind nicht nur
die politischen und kirchlichen Gemeinden, sondern vor allem die zahlreichen
Vereine und Vereinigungen, die im Zuge privater Freizeitgestaltung immer wieder
Erstaunliches bieten. Auffallend war das Hervortreten vieler Jungmusikergruppen
auf dem Gebiet der Vokal- und Instrumentalmusik. In die Zeit der Winzer- und
Oktoberfeste, der Waihe-, Brezzeli-, Hinterdorfstroße- und Chlimsefeschte fielen
auch die 1200-Jahrfeiern von Auggen und Fischingen. Weil und Lörrach zeigten
wieder vielbeachtete Gemäldeausstellungen unserer Markgräfler Maler. Einer der
derzeit bedeutendsten, Erwin Bowien, verstarb am 3. Dezember 1972 in Weil a. Rh.
Nicht vergessen seien auch die Restaurierungen der Kirchen Fischingen, Endenburg,
Neuenweg, Tannenkirch, Riedlingen, Wyhlen und Rötteln.
Nach dem großen Ereignis der Olympiade beschränkten sich die sportlichen
Veranstaltungen auf lokale Begegnungen.
Bleibt noch ein Wort für das mehr als launische Wetter in dieser zweiten
Jahreshälfte, das uns einen zu kalten und zu trockenen Sommer und Herbst
bescherte (der kälteste Herbst seit 50 Jahren, der trockenste seit 80 Jahren) mit
einem Sonnenscheinüberschuß von 60 % und einem Niederschlag von örtlich
25 °/o—75% der Durchschnittswerte. Die turbulente Dekade vom 11.—20. November
brachte mit abwechselnden Warm- und Kaltlufteinbrüchen 250 °/o des
üblichen Novemberniederschlags, Hochwasser und Überschwemmungen beim Rhein
und allen Nebenflüssen und erhebliche Unwetterschäden. Bei einem Pegelstand
von 5,74 m (2,85 m normal) mußte das Kraftwerk Rheinfelden zeitweise stillgelegt
, die Schiffahrt auf dem Rhein eingestellt werden. Am 22. Oktober gab es
den ersten Schnee, der mit den letzten Schneefällen des Jahres 1972 am 27. November
auf 70 cm (Feldberg) bis in die Niederungen reichte. Der Dezember dagegen
war wieder sonnig und warm auf den Höhen, kalt und neblig in den
Tälern. Der Wintersport an Weihnachten beschränkte sich auf wenige Ost- und
Nordhänge des Hochschwarzwaldes.
Mit dem 31. Dezember 1972 verabschiedeten sich auch die Landräte Bechtold
(Lörrach) und Allgaier (Müllheim) aus Altersgründen von ihren Ämtern.
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