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Derartige Badgerichte, die sich in der Regel nicht aus Amtspersonen rekrutierten
, sondern sich aus Badknechten und aus den Reihen der Gäste zusammensetzten,
sind im 16. und 17. Jahrhundert allgemein verbreitet gewesen. Platters Basler Kollege
Heinrich Pantaleon (1522—1595) hat das im aargauischen Baden übliche Gericht
beschrieben6), ebenso Leonhard Strübin in einem kleinen, 1576 erschienenen
Werk über »Oberbaden im Ergöw« "). Platter hat denn auch, wie er selbst sagt:
»nach badens brauch« sein Regiment für Bad Maulburg formuliert.
Eine anschauliche Vorstellung von einem durch den »Brütschenmeister« vollzogenen
Gericht vermittelt ein der Ausgabe von 1598 eingefügter Holzschnitt in
Sebastian Münsters »Cosmographey« 8) (Abb. 1). Rechts im Vordergrund knien
mit auf einer Bank aufgestützten Armen drei Delinquenten, der »Stößen« gewärtig
, die der als Narr gekleidete Mann mit dem erhobenen Schlegel auf die ihm entgegengestreckten
Gesäße austeilen wird. Daß diese Strafe wohl nicht allzu schmerzhaft
war und vielleicht sogar zu den Belustigungen im Bad gehörte, deutet das
Trinkgefäß an, das der vorderste der drei Sünder emporhält. Oberhalb des Bassins
bewegt sich dem Beckenrand entlang ein Mann mit einer Schüssel und einem Tuch
— wohl ein Wirt oder ein Koch — offensichtlich mit der Absicht, den Badenden
entweder Speisen ins Wasser zu bringen oder sie mit verheißungsvollen Düften an
den Wirtshaustisch zu locken.
Was alles unter »Des Regiments Ordnung vnd bruch, der zimlich milt ist, nit
zeruch« fällt, erfahren wir aus Platters Versen in aller Deutlichkeit und in unverblümten
Worten. Strafwürdig war das Tragen von Waffen (wer) 9), fehlende, mangelhafte
, zerrissene und unsaubere Bekleidung und die Verunreinigung des Badwassers
, wobei Platter im Gegensatz zu Pantaleon nicht vermerkt, daß »niemand
einerley vnvernuenfftig thier als Sew (Schweine), Huend, Katzen, oder dergleichen
darauß waeschen, oder darein werffen« darf. Auch »zancken, haderen, stechen,
houwen«, also den Frieden und die Ruhe störendes Benehmen, sollten in Maulburg
geahndet werden. Die Frauen hatten Anspruch auf respektvolle Behandlung und
einen eigenen, ihre Interessen wahrnehmenden Vogt, »zimlich alters, kein iungen
gsellen«, wie Platter vorsichtigerweise empfiehlt. Der Wein, dessen Quantum sich
nach der Schwere des Vergehens richtete, wurde in der Regel von den Badegästen
und sicher in angeregter Stimmung konsumiert. Schließlich soll die Kur erst dann
beendet werden, wenn der Seckel leer ist und »im badt obsich schwimbdt«.
Zechen, Singen, Musizieren und Flirten gehörten zu den damals üblichen Freuden
und Lustbarkeiten im Bad, wobei von der Obrigkeit dem vergnüglichen und
oft ausartendem Treiben immer wieder Schranken gesetzt werden mußten. Um
Schlaf und Langeweile zu vertreiben, verkürzten sich die meist während vieler
Stunden im Wasser sitzenden Leute die Zeit mit allerlei Kurzweil. Maulburg gehörte
sicher nicht zu den mondänen und besonders teuren Badeorten, wie etwa
Baden im Aargau, das berühmt für den dort herrschenden Luxus, die reiche Ausstattung
der Bäder und Gasthäuser und berüchtigt für die hohen Preise war. Dem
französischen Staatsmann und Essayisten Michel de Montaigne, der 1580 in Basel
Platters Gast war und bewundernde Worte für das große, prächtig ausgestattete
Haus am Petersgraben und für die Vielfalt und den Reichtum der Sammlungen
seines Gastgebers gefunden hat, sind bei dem sich anschließenden Aufenthalt in
Baden die luxuriöse Einrichtung der Zimmer mit den von Standespersonen gestifteten
Wappenscheiben sowie die hohen Gasthausrechnungen aufgefallen. 10) Baden
hatte zudem den Ruf eines »Heiratstempels«, was Heiratslustige zum Gebrauch
der dortigen Bäder ermuntert haben wird. Felix Platter, der viele seiner prominenten
Patienten nach Baden zur Kur geschickt hat, rühmt in einem an Basilius Amer-
bach gerichteten, undatierten Brief »die meitlin ze Baden« und deren Reize in
drastischen Formulierungen und ermuntert den verwitweten, zur Tagsatzung in
Baden weilenden Freund »ein weib ze nemmen. Dywil vnsere Basel meitlin euch
ze beschloßen sindt« tl).
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