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die rauchenden Kohlhaufen zur Rechten und Linken im Panorama der Weitsicht
erloschen und dahin waren. Das Köhlergewerbe war in Gersbach Tradition, bis
zum Jahre 1682 betrieb man sogar einen eigenen Schmelzofen, der aber zersprang.
Bei der Wahl des dritten Bergwerkkindes im Lande des Markgrafen konkurrierte
Gersbach an erster Stelle, die Wasserkräfte der Wiese gaben jedoch Hausen den
Vorrang. Klug und vorausblickend aber bot das Hebeldorf (das damals noch gar
keines war) der waldreichen Commune in luftiger Höhe einen Kontrakt, der
einerseits dem Eisenwerk »allen Kohl aus Gersbachs Waldungen« sicherte, andererseits
den Köhlern hoch oben im Wald den laufenden Absatz garantierte. Vor-
und Nachteile des Vertrages zeigten sich sichtlich in den »Holzklemmzeiten«, das
Eisenwerk Hausen hatte zwar nicht hinreichend, aber immerhin im Gegensatz
zu Kandern und Oberweiler »etwas Kohl«, die Gersbacher hingegen sahen wohl
den Silberstreifen am Horizont über dem Rheinknie, jedoch das Hartgeld lockte
vergeblich, Kontrakt war schließlich Kontrakt.
Im Frühjahr 1763 standen urplötzlich die Zunftmeister der Schopfheimer
Schmiede keuchend vor der Vogtsstube Gersbachs, wischten sich vom gähen Aufstieg
den Schweiß von der Stirne und baten händeringend um »etwas Kohl«. Vogt
Martin Blum, die Bürger Hans Jacob Weniger, Martin Uhlin und Hans Jörg
Greiner erbarmten sich schließlich frei nach Brüder Grimm — »die guten ins
Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen« —, d. h. sie gaben von ihren Kohlhaufen
5—6 Zuber »schlechten Kohl«, während sie später um so eifriger rückblickend
betonten: »Dafür haben wir dem Bergwerk Hausen nur gesunde Ware geliefert
.«
Die gute Absicht und die schlechte Kohle waren zunächst nicht strafmildernd,
Weniger, Blum, Ühlin und Greiner wurden auf dem nächsten Forstfrevelgerichtstag
zu je 10 Reichstaler Strafe verdonnert. Den Gersbachern blieb der Verstand
stehen; als er wieder funktionierte, schrieben sie dem Markgrafen. Aus fürstlicher
Milde wurde die Hälfte erlassen, die andere Hälfte von je 5 Reichstalern in harter
Reichswährung lag dem »Blum und Konsorten« ebenso hart auf dem rechtschaffenen
Köhlerherzen und sie unternahmen einen neuen Versuch der Rehabilitierung
. Das Oberamt meinte dazu: »Wir wundern uns, wie die Gersbacher es
wagen, eine neue Bittschrift einzusenden, wo doch die Hälfte von der fürstlichen
Rentkammer erlassen wurde. Sie wurden nicht wegen der Kohlenlieferung an die
Schopfheimer Schmiede gestraft, sondern wegen Kontraktbruch.« Das Forstamt
sekundierte und meinte im selben Ton: »Es ist zwar wahr, daß die inländischen
Feuerarbeiter fast keine Kohle mehr haben und notwendig brauchen, aber wenn
die Gersbacher den schlechten Kohl ohne unsere Genehmigung weggeben, dann
dauert es nicht lange und sie führen auch den guten Kohl.« In Karlsruhe, das
Bittschrift und Gutachten überprüfte, schien nochmals das Licht »der fürstlichen
Milde«, die Strafe wurde auf 3 Gulden reduziert, jedoch ernsthaft bedeutet, »wenn
die Commune Gersbach den notleidenden Feuerhandwerkern in Schopfheim vom
schlechten Kohl geben will, dann nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Forstamtes
.«
Das war wiederum den Gersbachern zu dumm und die Schmiede im Talgrund
blickten im Frühjahr 1763 in die kalte Esse und entsannen sich grimmig des schei-
terholzexportierenden Waldbauern aus dem Kleinen Wiesental. Mit Hilfe des
Forstamtes wurden die Waldvögte samt Zunftmeister nach Kandern »citiert«, die
Aussprache begann alemannisch und endete im Sprachlabyrint von Babylon. Die
beiden Parteien »mir bruche Chohle« und »mir chohle nümmi« redeten buchstäblich
aneinander vorbei und selbst der gewichtige Vorhalt: »Wenn mir kei Füür hän,
hän Dir kei Wage, kei Gschirr, kei Roß« ließ die Waldvögte nicht weich werden.
Selbst Forstamt und Oberamt wurden sich nicht einig, während letzteres meinte:
»Wir wollen weder der Waldbewohner noch der Feuerarbeiter Schaden, wir wissen
aber wirklich keinen andern Rat, als daß Durchlaucht den Befehl erteilen, daß
von allem Scheiterholz, das nach Basel geführt wird, der dritte Teil verkohlt
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