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das in 1 m langen Scheiten in den Ofen eingelegt wurde. Die gesamte Brennzeit
betrug etwa 36—40 Stunden. Hielt man die Zeit für gekommen, um den Ofen
langsam abkühlen zu lassen, schob man einen trockenen Span in den Ofen durch
eine kleine Öffnung in der zugemauerten Tür, der in der großen Hitze sofort
brannte und das Innere des Raumes ausleuchtete. So konnte man feststellen, ob die
Glasur glänzend und die Ware fertig war. Nun mußte der Ofen 1—2 Tage auskühlen
ehe er aufgemacht werden durfte. Dieser Augenblick war der spannendste
während des gesamten Arbeitsvorganges. Jetzt zeigte sich, ob sich die schwere
Arbeit gelohnt hat, und die Waren durch den Brand nicht verdorben waren. Mit
dicken Fausthandschuhen wurden die Stücke herausgenommen, und mit dem
Meißel die Reste von den anhaftenden Tonfüßchen entfernt.
//. Formen und Ornamente
Wie sahen nun die Waren, die in Kandern hergestellt wurden, aus?
Es gibt zwei Arten von Hafnergeschirr: 1. Das teilglasierte und das einfache
Gebrauchsgeschirr ohne oder mit bescheidener Bemalung. 2. Das anspruchsvollere
und kunstvoll bemalte „Schaugeschirr". Meist wurde es auf Wunsch einzelner
Kunden hergestellt.
Zum täglichen Gebrauch waren Schüsseln und Tragegefäße bestimmt. Sie sind
nur von innen glasiert, haben jedoch oft sehr schöne einfache Formen. 1M) (Abb. 1)
Wald- und Landarbeiter nahmen sie als Essensbehälter mit hinaus zur Arbeit. Die
Getränke, die aufs Feld mitgebracht wurden, füllte man in kleine, meist ganz
glasierte Flaschen. In Kandern nannte man sie das „Zapfenkrügli".110) Im bäuerlichen
Haushalt spielte das Hafnergeschirr eine ungleich größere Rolle als in jedem
Stadthaushalt. Uberall in Küche, Keller und Stall wurde es verwendet. Daher war
die Zweckbestimmung ausschlaggebend für die Form. Das einfachste Gebrauchsgeschirr
war meist ohne jeden Dekor. Dazu gehörten einfache Teller, Näpfe,
Henkeltöpfe, Flaschen und alle Vorratsgefäße. Sie waren als reine Zweckgeräte
auch meist nur von innen glasiert. Die „Käsnäpfe" und „Käsplatten", 3-beinige
Gefäße mit kleinen Löchern in der Wandung dienten zur Zubereitung des bekannten
Markgräfler Bauernkäse, einem frischen Weißkäse. Die Hafner in Kandern
stellten vier verschiedene Milchgefäße her, je nach Brauch der Gegend geformt
, in die sie verkauft werden sollten: Die katholische Bevölkerung des hinteren
Wiesentals und der Gegend um Schliengen bevorzugte den Napf mit
Henkel. m) Der Hafner in Kandern nennt sie deshalb die „katholischen Milchnäpfe
". In den evangelischen Orten des Markgräflerlandes wird das „Milchbecki"
benutzt, eine geradwandige kleine Schüssel ohne Henkel. Sowohl im Milchnapf
als auch im „Becki" wurde die Milch zum Sauerwerden „aufgestellt". Die Milchnäpfe
stellte man zu diesem Zwecke übereinander, die „Becki" nebeneinander.
Die Gefäße für die verschiedenen Gegenden mußten streng auseinander gehalten
werden, denn in der katholischen Gegend „werden derartige Gefäße" wie das
Bilchbecki „unters Bett gestellt." 112) Für die Freiburger Gegend waren Milchhafen
mit Henkel bestimmt. 113)
Besonders reizvoll ist das in Kandern hergestellte Kinderspielzeug aus Ton:
(Abb. 13) Buntbemalte Tonfigürchen und Wassernachtigallen und Kindergeschirr-
chen. Die Hafner hatten gerade diese kleinen verspielten Sachen mit besonderer
Sorgfalt und Liebe gearbeitet.
Die Prunkstücke des Hafners aber waren jene farbenprächtige und reichgeschmückte
Teller und Schüsseln, Hochzeitskrüge und -Schüsseln, die heute in
größerer Zahl die Museen als noch die Bauernstuben zieren.
Die frühesten datierten Stücke sind aus der Zeit nach 1781. Die muldenartigen
nach außen schräg abfallenden Schüsseln haben meist einen schmalen Randbord.
Erich Meyer-Heisig spricht dabei von einer „allemannischen Gemeinform".114)
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