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Auf tief dunkelbraun-schwarzbrauner, aber auch rotbrauner Grundierung sind
die Muster mit der Gießbüchse aufgemalt. Die anspruchsvolleren Geschirre sind
meist sogar mit einer Umriß- und Binnenritzung versehen, in deren dazwischenliegenden
Flächen der farbige Malschlicker aufgetragen wurde (Abb. 3, 4, 5). Die
Farbtöne sind kräftig und reich gestuft. Weiß, Gelb, Grün, Rotbraun und Blau
werden bevorzugt. Die Motive für die Bemalung variieren. Für die Schüsseln
mit abfallendem Randbord wurden meist Pflanzenornamente bevorzugt (Abb.
7—10). Es gibt aber auch eine Reihe von besonders schön bemalten Schüsseln
mit Szenen aus der Biedermeierzeit (Abb. 5, 6). Soldaten, Reiter und anekdotische
Szenen erscheinen als farbenfrohes Dekor auf dem Spiegel der Schüsseln. Diese
figürlichen Darstellungen sind jedoch nur besonders anspruchsvollen Tellern und
Schüsseln vorbehalten, dem sog. Schaugeschirr. Daneben gibt es auch viele Schüsseln
dieser Art mit Blumenornamenten, die keineswegs in eine Nebenrolle gedrängt
sind, wie Meyer-Heisig behauptet. llä) Inschriften findet man auf diesen
Schüsseln selten, bis auf gelegentliche Datenangaben im Spiegel der Schüsseln
(Abb. 6, 8, 9). Für den schräg abfallenden Randbord dieser „allemannischen"
Schüsselart gibt es zwei verschiedene Verzierungsmuster, die gleich häufig angewendet
werden. Beide Muster finden wir auch auf Schüsseln aus der Schweiz,
speziell aus den Töpfereien in Langnau und Heimberg im Kanton Bern: 1. Ein
verschränktes S-Muster (Abb. 6) und 2. ein fein gestricheltes Fächermuster mit
dazwischengesetzten Blattornamenten (Abb. 7, 11).
Ganz anders gearbeitet sind die zum Teil prächtig geschmückten Teller mit
breitem Rand und flachem Spiegel. Sowohl Blumenmuster als auch figürliche
Darstellungen erscheinen als kunstvolle Verzierungen im Spiegel der meist aufgestellten
Schauteller. Um den breiten, leicht gebogenen Rand sind oft Inschriften
gemalt. Religiöse Sprüche wie „Ich bin klein, mein Herz ist rein soll niemand
drin wohnen als Jesus allein." Oder Sinnsprüche wie „Ach Gott, wie ist das
Kreutz so schwer, das Kreutz, was dann noch nicht so schwer" (Abb. 9) und
„Schöne bkimen riechen wohl wann man hat ein haffen voll." (Abb. 7) oder
„Die Schüssel ist aus Ton gemacht, wenn sie bricht der Hafner lacht", sind
gebräuchlich. Meist sind Teller mit solchen Randsprüchen im Spiegel mit Blumendekor
geschmückt.
Ob die figürlichen Darstellungen persönlichen Bezug zum Auftraggeber oder
Hersteller haben, wie Meyer-Heisig vermutet, ist nicht zu entscheiden. Bei den
abgebildeten figürlichen Bemalungen handelt es sich um Szenen aus dem täglichen
Leben: Reiter- und Soldatendarstellungen und kleine „galante Szenen", die der
städtischen Porzellanmalerei wahrscheinlich entlehnt, für die bäuerliche Umwelt
umgewandelt wurden.116) Eine solche Darstellung findet man z. B. auf einem sehr
schönen dunkelbraun grundierten Teller, in dessen Spiegel eine Dame und ein
Soldat in napoleonischer Kleidung aufgemalt sind (Abb. 5). Ihrer erwartungsvollen
Haltung, wie sie ihm eine Blätterranke entgegenhält und er mit gezogenem Degen
auf ihre Augen zielt, ist zu entnehmen, daß er ihr „ins Auge sticht". Solch versteckte
Anspielungen in bäuerliche Malerei umgesetzt, beweisen wie witzig und
anspruchsvoll diese Art der volkstümlichen Keramik war. Von ähnlich anekdotischer
Erzählfreude ist die Darstellung einer Dame am Brunnen in Biedermeiertracht
(Abb. 6) aus dem Jahre 1819.
Im ausgehenden 19. Jahrhundert wurden besonders aus der Schweiz stammende
Blumenmuster mit Vorliebe verwendet. Maiglöckchen- und Edelweismuster
werden bevorzugt (Abb. 7). Aber auch die reich ausgeschmückten Thuner Bemalung
wird eifrig aufgegriffen (Abb. 10). Sie wird im Rahmen eines vom
Handelsministerium geförderten, aber falsch verstandenen Kunsthandwerks meist
in Verbindug mit überladenen unkeramischen Formen verwendet. Leider hatte die
Gewerbeförderung und die damit vorgeschriebene Vorstellung von guter Keramik
auch eine verfälschende Wirkung auf die Töpferwaren der ansäßigen Hafner. Da
sie nun um jeden Preis dem Zeitgeschmack entsprechen wollten, der jedoch nicht
immer materialgerechte und geschmackvolle Arbeiten anregte, stellten viele
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