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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1974-03-04/0060
Das Gefäß als Kunst

Die moderne Keramik ist in Europa noch relativ unbekannt. Erst vor ca. 40
Jahren hat man begonnen, sich in Deutschland mit hochgebrannter Keramik zu
beschäftigen. Wir alle wissen zwar, was die Griechen und Römer an Keramik
hervorbrachten. Bemalte Majolika, Fayence und Irdenware sind uns auch bekannt.
Dem gestaltenden Töpfer von heute geht es inzwischen um eine ganz andere Aussage
. Er ist nicht mehr der Hafner von früher, es geht ihm nicht mehr so sehr
darum, eine Tradition fortzuführen.

Inzwischen ist ein individuelles Zeitalter angebrochen mit einem anderen
Selbstbewußtsein. Wir leben jetzt in einer Zeit, welche ganz und gar durch die
Information geprägt ist. Aber ist es nicht so, je mehr sich der einzelne Mensch
informiert, umso mehr entfernt er sich vom eigentlichen Erkennen? Es entsteht
ein unruhiger Geist, fern von seinem eigenen Selbst. Die Welt ist offen geworden,
so offen, daß wir nur in wenigen Fällen noch feststellen können, daß es Grenzen
und Gesetze gibt. Aus dieser Zersplitterung kann nur das Menschliche führen.
Es bildet die Voraussetzung, damit man auf die Dinge, und ihren Ausdruck
eingehen und sie erfassen kann, und zu ihnen zählt auch das Gefäß. Gerade
deswegen ist es so wichtig, ein paar Worte zum Verständnis des Gefäßes zu sagen.

Worauf kommt es zunächst an?

Das Material, die Technik, die Form, die Struktur und die Farbe sind die
wesentlichen Merkmale.

Ein Material von hoher Qualität kann nur entstehen, wenn der Töpfer
geeignete und ausgesuchte Rohstoffe benutzt. Er muß sich ebenso einer Technik
bedienen, die diesem Material angemessen ist, um es an die Technik zu binden.
Er kann Formen entstehen lassen, welche dem Material und der Technik entsprechen
. Verbindet der Töpfer nun noch Struktur und Farbe in feinster Weise,
so kann das Gefäß zu einer hohen Einheit gelangen. Nur wenn diese grundlegenden
Bedingungen erfüllt werden, kann sich die Ganzheit im Gefäß zeigen.
Diese Grundsätze ergeben sich eigentlich von selbst, so daß man sie kaum zu
erwähnen braucht.

Ein Gefäß kann beinhalten und aufnehmen: z. B. Wasser und Blumen.
Man soll leicht mit ihm ein- und ausgießen können, sofern es sich um eine Kanne
oder einen Krug handelt. Die Hände sollen es leicht fassen oder halten können.
Mehr noch: Das Gefäß soll den Händen „befreundet" sein. Seine Gestalt soll
soll ihnen voll Wohlgefallen „zuhanden" sein. Der Glasurfluß kann an das
Fließen eines Flußes erinnern. Die Glasur kann unergründlich viel ausstrahlen.
Sie kann ein Fest für die Augen werden. Wie schön kann ein klarer Himmel
sein, denkt man an seine verschiedene Färbungen! Wie schön sind die Farbabstufungen
der Gesteine und Blüten! Es erinnert an das Kommen und Gehen, an das
Aufgehen und Untergehen. Es gemahnt an die Zeitlichkeit, an Blühen und
Welken. Welch ein Gebiet für den Töpfer. So löst sich das Gefäß selbst aus der
reinen Zweckhaftigkeit und wird zu Kunst.

Es ist unsere Aufgabe, in der heutigen Zeit dies richtig zu verstehen und zu
sehen. Aber nur dem Schauenden zeigt sich das Schöne, und deswegen sollte der
Töpfer auch ein Schauender sein, um andere an seinem Glück teilhaben zu lassen.

Horst Kerstan

Legende zu Bildern auf Seite Z&.l'l-l

Oben links: Kürbis förmige Vase, weiße Kristallglasur.
Ob?n rechts: Flaschengefäß, weiß-grüne Glasur, gebrannt bei 1300° C.
Unt?n links: Geschnittene Zylinderkumme, schwarz-rostrote Glasur.
Unten rechts: Beim Drehen eines Gefäßes.

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