http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1975-01-02/0053
Neben den mitunter interessanten schmiedeeisernen Arbeiten wären die
messingenen Speirohre ein vielleicht lohnendes Forschungsobjekt. Sie stammen aus
städtischen Werkstätten. So wird in alten Rechnungen von 1768 der Glockengießer
Hans Heinrich Weitnauer in Basel genannt (Kaltenbach 1967, S. 23).
Nach der Jahrhundertmitte kommt es bei allen Stöcken unbeschadet des
Materials zu einer Häufung von Formelementen, in oft unausgeglichenen Proportionen
. Zierformen unterschiedlicher Zeitstellung konkurrieren miteinander,
gotisierende Elemente stellen sich ein. Mit diesen historisierenden Stilen beginnt
nach der Jahrhundertmitte zugleich der Verlust gesicherten Stilempfindens und
damit der Verfall auch unserer Kleinarchitektur. Kein Wunder, daß sich um die
Jahrhundertwende mit den Zementsteinen ein neues Material in diese Bresche
drängt.
2 Tröge und Stöcke in ihrem gegenseitigen Verhältnis
Die Brunnenstöcke stehen bei den Rechteckformen der Tröge und bei den von
ihnen abgeleiteten Formen entweder an der Lang- oder an der Schmalseite (Querseite
). Beim Viehmarkt-Br. in Lörrach steht der Stock im Trog. Auch bei den
Blankenhorn-Brunnen in Müllheim und dem Badenweiler Trog steht der Stock
im Trog. Buntsandsteinstöcke stehen zu etwa 70°/o an der Schmalseite, zu 30%
an der Langseite des Troges. Ebenso verhalten sich die Kalksandsteinstöcke. Bei
den Jurakalkstöcken ist es gerade umgekehrt. Bei nicht genau quadratischem
Grundriß wendet der Stock dem Trog jeweils die breitere Seite zu. Zugleich stehen
die Stöcke immer symmetrisch zum Trog, mit einziger Ausnahme des Brunnens
im Läublinpark in Weil. Bei Achteck- und Rundformen des Troges bietet sidi
Zentralstellung des Stockes an, aber auch hier findet man den Stock nur seltener
mitten im Trog. Stellung in der Trogmitte wurde beobachtet in Auggen (Rathaus-
Br.), Badenweiler, Blansingen, Lörrach (Markt-Br.), Sulzburg und Tüllingen
(Dorf-Br.). Die hochbarocken Stöcke stehen fast alle zusammen mit einem achtseitigen
Trog, die spätbarocken quadratischen nur noch zu einem Drittel.
Die Gesamtwirkung von Trog und Stock ist eine andere als die des Einzelbauwerks
. Bei der Betrachtung der durch aufgesetzten Obelisken oder Rundsäule oft
übersteilen Stöcke ist zu bedenken, daß diese im Zusammenhang mit den Trögen
gesehen werden wollen, was ganz andere Proportionen ergibt. Das Ensemble ist
auf Proportion und gleichzeitig auf Kontrapunktik zwischen der Horizontale des
Troges und der Vertikale des Stocks angelegt. Die aufstrebende Vertikale versinnbildlicht
das aufsteigende Lebenselement Wasser, die Horizontale des Troges gewissermaßen
seine in die Breite gehende Darbietung zum Verbrauch, ein durchaus
erwünschtes Spannungsverhältnis. Die zum Unterschieben der Eimer häufig angebrachten
Tragschienen bilden eine Verbindung vom Trog zum Stock.
Eine gewisse Disharmonie mag durch größere Alters- und damit meist auch
Materialunterschiede gegeben sein. Doch sind solche Kombinationen nicht immer
reizlos. So paßt die reine Gebrauchsform des monumentalen Troges des Tumringer
Mühli-Br. (1780) durchaus zu dem stark ausgeformten barocken Stock (1774).
Wird ein langer Trog durch Stock und Zwischenwand in zwei Teile halbiert
wie beim Viehmarkt-Br. in Lörrach, so verliert die Wasserfläche ihre lebendige
Wirkung. Überhaupt vollenden die spiegelnde Wasserfläche des Troges und das
Spiel des aus einem oder mehreren Rohren strömenden Wassers erst die architektonische
Gesamtwirkung des Brunnenensembles. Nichts beweist das eindrücklicher,
als die heute nicht mehr laufenden, irgendwie vereinsamten Brunnen, die einen so
öden und bedrückenden Eindruck machen.
Über die städtebauliche Funktion und Typologie der Brunnen hat Fassl mit
vielen Beispielen ausführlich berichtet (1966, S. 128—202). Bei ihm trifft man auch
51
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1975-01-02/0053