http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1976-01-02/0014
„Wenn der Markgräfler eine Generation lang Frieden im Land hat,
wird er mit silbernem Pflug ins Feld fahren!"
Dieser überlieferte Sinnspruch paßt wohl vortrefflich für die wenigen wohlhabenden
Bauern, die in der gesegneten Landschaft am Ende der langen Epoche des
äußeren und inneren Landfriedens unter der weisen und gestrengen Führung des
Markgrafen Karl Friedrichs lebten. Es gab sie allerorten im Rebland, diese einflußreichen
, selbstbewußt wirkenden, gescheiten und leider oft auch anmaßenden
Dorfpatriarchen im Vogt- und Richteramt, als Müller und Gastwirte, auf st.
bläsischen Dinghöfen und als Weinhändler, hervorragende Männer der bekannten,
heimischen Geschlechter: Gräßlin, Gütlin, Muser, Grether, Eckenstein, Sütterlin usf.,
welche wohl als Dorfherren imstande gewesen wären, ihren Einfluß und Reichtum
mit einem silbernen Pflug nach außen zu dokumentieren. „Freiheit und
Wohlstand blickt aus ihrem ganzen Betragen", berichtete der Historiker Ph. W.
Gercke aus Salzwedel (1722 91) nach seinem Besuch im Oberland5). Aber neben
diesen wenig „Großen" mühten sich in unseren Dörfern mehr Leute um einen mittelmäßigen
Wohlstand und ebensoviele mit wenig Verdienst bis zu größter
Armut.
Diese sozialen Verhältnisse offenbaren die wenigen Notizen zwischen den
Zeilen in Kauf Urkunden, Güterlisten und ersten Kirchenbüchern des 16. Jhdts.:
Einen wirtschaftlichen Höhepunkt im Handel und Wandel mit den Erzeugnissen
des Landes beschreiben die Basler Akten, ist aber vor allem heute noch an den
wohlerhaltenen stattlich hervorragenden Häusern einiger Dörfer wieder zu erkennen
, welche das verheerende, nachfolgende Kriegsjahrhundert überlebten, und
nun als stolze Zeugen jener hochstehenden Baukultur und ihrer tüchtigen
Träger dank einer langen Friedensepoche unser Land schmücken, die gotischen
Stein- und Stapflehüser mit den gekehlten, kunstvollen Fenster- und Türgewändern
. Nachdem die Rebländer im Bauernkrieg 1525 gegenüber dem Markgrafen
und seinen Juristen ihre alt überlieferten Rechte mit einigem Erfolg verteidigt hatten
, konnten sie 100 Jahre danach in Frieden ihre überschüssigen Früchte und Wein
auf die nahen Märkte, vor allem nach Basel, ja sogar den Rhein hinab bis nach
Holland verkaufen.
Dann folgte ein Niedergang ohnegleichen, besonders nach dem Einfall der
Schweden (1633/34), der Franzosen (1638), als die „apokalyptischen Reiter" verheerend
über das Land jagten, mit Schrecken die Leute vom Hof und aus den
Dörfern in den Schutz der nahen Wälder und der Stadt Basel vertrieben, Keller
und Speicher plünderten, Pest und Hunger brachten, zerstörte und verödete
Wohnstätten und Fluren zurückließen. Als die stark dezimierten Bewohner wieder
heimkehrten und vor dem Nichts standen, meist ohne Viehzeug, Wagen, Geräte
und Saatgut, aber „zleid" allem Elend mit Mut und Tatkraft von vorne mit Bauen
und Pflügen begannen, erwartete sie viele Jahre voll Mühen und Sorgen. Die
Schmiede besorgten wieder neue Pflüge und Geräte, der Markgraf Friedrich (V.)
gewährte Nachlaß oder Stundung der Steuern und vermittelte Saatkorn. Die verödeten
Fluren waren bald wieder vom Unkraut geräumt, gerodet und angeblümt.
Aus übervölkerten Schweizer Gebieten kamen tüchtige Jungbauern, die einheirateten
, mithalfen und dabei ansässig wurden.
Nach der Rückkehr von der Flucht im Jahre 1643 zählte das Oberamt Rötteln
an den 50 Orten der Röttier-, Schopfheimer-, Sausenharter- und Weiler Viertel
noch insgesamt 1516 Bürger, von denen ein Drittel altershalber zur Arbeit nicht
mehr taugte, dazu 188 mannbare ledige Söhne, 91 Hintersassen, 302 meist ganz
arme Witwen, welche dem „Almosen nachziehen". Lörrachs 58 Bürgern standen
noch 4 Wagen, 16 Pferde und 20 Ochsen für den Zug zur Verfügung, die sie wohl
in Basels Ställen versorgt hatten, während die Kleinkemser weder Vieh noch
Wagen mehr zum Einsatz hatten.
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