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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
38.1976, Heft 1/2.1976
Seite: 19
(PDF, 32 MB)
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Regierung übernahm. Im Ausland gewann er die Anregungen zu seinen Versuchen,
womit er den Grund für eine in der Tat fortschrittliche und wirksame Regierung
legte. Als Physiokrat baute er auf ein neues Wirtschaftsdenken, das im Gegensatz
zu dem damals herrschenden Merkantilsystem und Staatsabsolutismus, eine
natürliche Ordnung der Wirtschaft forderte 8). Deshalb galt sein Hauptaugenmerk
der Landwirtschaft, dem Ackerbau, als der Grundlage des Wohlstandes eines
gesunden Staatswesens. Seine humanistisch aufgeklärte Weltanschauung stellte den
Fortschritt der Landwirtschaft auf die Grundlage eines gesitteten freien Volkes.
Danach richteten sich alle seine, im Ton und in der Tat so autoritär erlassenen
Forderungen und Gesetze, die anfänglich nach Bauernart mit Skepsis aufgenommen
wurde, sich aber mit sichtbaren Erfolgen am Ende durchsetzten und zur gewohnten
Übung wurden. Er holte sich 1763 den bekannten Physiokraten Joh. Aug. Schlettwein
aus Weimar zur Schulung nach Karlsruhe und gründete mit ihm eine „ökonomische
Gesellschaft, welche sich mit allen Erwerbszweigen, mit deren Fortschritt,
Mängeln, Verbesserungen, Vor- und Nachteilen der Reformen beschäftigen sollte",
er selbst führte bei den Kollegien den Vorsitz. Diese Reformen erstrebten zunächst
eine Änderung des althergebrachten Agrarrechts, der in 1000 Jahren gebildeten
Struktur der bäuerlichen Verfassung, welche sowohl aus der Landes- und Gerichtshoheit
wie aus der Grundherrschaft hervorging, deren vielfältige Gestaltung mit
den zahlreichen Pflichten und Lasten das Landvolk immer noch wirksam zu erleiden
hatte. Vor allem belasteten die bäuerliche Wirtschaft die Hand- und Fuhrfronen
bei Straßen-, Fluß- und Brückenbauten wie die verschiedenen Steuern: der
Vogt-, Bann- und Kelterwein, das Fasnachts- oder Rauchhuhn, die Schätzung vom
Grundvermögen, das grundsätzliche Verbot des Abzugs, auszuheiraten, die Manu-
mission mit der hohen Taxe von 10 Prozent des abziehenden Vermögens und
der weiteren Pflicht, den Leibschilling und das Leibhuhn zu liefern. Während der
Markgraf schon seit der Bauernerhebung 1525 den Todfall, das beste Stück Vieh
aus dem Stall des verstorbenen Bauern oder das beste Kleid oder ein gewisses
Geld für die meisten Untertanen in seinen Landen erlassen hatte, forderte die
Grundherrschaft St. Blasien von ihren Grundhörigen und Lehensleuten da und
dort — wie in Efringen — bis um 1800 denselben Fall, den Güterfall, von den
Erblehen beim Hand- und Herrenwechsel den Ehrschatz, eine einmalige Abgabe
etwa in der Höhe eines Jahreszinses. Neben diesen Sondersteuern waren die
Lehen und Güter der zahlreichen kleinen und großen, weltlichen und geistlichen
Grundherrschaften mit Grundzinsen, Frucht- und Weinbodenzinsen, dem Dritteibis
Sechstelwein, dem Großen Frucht- und Weinzehnten, dem Kleinen- oder Etter-
Zehnten von Heu, Obst, Hanf, Gemüse, belastet. Der Markgraf besaß allerdings
nur wenig Grundbesitz, den er vorwiegend an Dienstleute und Beamte ausgegeben
hat; seine Hof matten und -reben rund um das Röttier Schloß ließ er in der für
jeden Ort gesondert zugemessenen Fron bewirtschaften; sie war im Vergleich
zu anderen Grundherrschaften unbedeutend, etwa im Hinblick auf St. Blasien,
das im Rebland fast an allen Orten sehr reich begütert war, und die
alle zusammen mit den verschiedenen Zehntherren jedes Jahr einen großen Teil
der angefallenen Ernte beanspruchten. Da ist es dann auch nicht verwunderlich,
wenn bei all der Verelendung in Kriegszeiten und trotz des tüchtigen Einsatzes
nur bei wenig Begüterten ein gemessener Wohlstand erreicht werden konnte, die
meisten anderen aber waren von der Gunst eines mit Früchten und Wein gesegneten
Jahres abhängig, um durch- und weiterzukommen.

Verhängnisvoll wirkte sich die fortgesetzte Güterteilung aus, welche beitrug, daß
trotz Fleiß nur wenige auf einen grünen Zweig kommen konnten, dagegen ein
ärmliches Geschlecht mit vielen kleinen Zwergbäuerlein heranwuchs, ein bäuerliches
Proletariat, das sich mit ganzer Kraft gegen ein weiteres Absinken wehrte.
Viele sind darum dem Rufe nach Siebenbürgen gefolgt und wurden mit ihrer
Familie ob ihrer Armut von der Herrschaft gerne entlassen. Die Bettelfuhren
und der Hausbettel von Witwen und Waisen nahmen zu. So mußte der Fürst

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