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Die einzelnen Reformen
Das Bemühen um Fortschritt setzte bis zur Wirksamkeit und dem sichtbaren Erfolg
viel Zeit und Geduld voraus. Erst mußten die Versuche und Anordnungen
die mißtrauischen Bauern überzeugen, welche ja mehr und lieber am „guten und bewährten
Alten hängen", und sich nur schwerlich zu einer anderen als der bisher
geübten Kulturart entscheiden, da sie ja auch als beste Kenner und Sachverständige
ihre Bodengüte und Lagen, Vor- und Nachteile beurteilen können. Ein kundiger
Berater meinte, lieber würden die Bauern ihre Tierkreiszeichen befragen und nach
deren alter Weisung meist vieles liegen lassen, als im falschen Zeichen zu
säen, zu schneiden, eben zu handeln, daher gehen sie auch bei besserem Rat von
einem anderen „bruttelnd und mit gesenktem Kopf auseinander, um dann zu
lauern, was die anderen vormachen". „Hanseli, gang du voraa!" Darum möge
man dem Landmann auf jeden Fall die individuelle Freiheit beim Anbau, bei der
Wahl seiner Kulturen weitgehend belassen und bei der gebotenen Aufsicht nur
den Nutzen für die Allgemeinheit im Auge behalten, wenn nur die Fluren innerhalb
der gesetzten Ordung in den drei Feldern in gehörigem Bau und Stand
gehalten werden. Weiter meinte der Hof rat Marschall in seinem Gutachten:
Was die Beamten vom Ackerbau wüßten und vortrügen, schien den Bauern verdächtig
und würde ebensowenig ernst genommen wie die Ratschläge des Pfarrers,
welcher „wohl den Weg zum Himmel zeige, selbst aber einen anderen gehe". Diese
gut beobachteten Ratschläge, die zur Mäßigung und Geduld mahnten, wurden am
Hofe von den Männern bestätigt, welche beim engen Kontakt mit dem Landvolk
die besten Erfahrungen gesammelt haben, wie der im Oberland bekannte und
erfahrene Kammerrat Enderlin, der mit seiner Beurteilung den Nagel auf den
Kopf traf, wenn er in seinem Gutachten zur Herausgabe eines geplanten „Wirtschaftskalender
" meinte: Alles was im Kalender gesagt werde, besorge der Oberländer
Bauer jetzt schon besser. Da dieser sehr empfindlich sei, halte er die gebotenen
Hinweise als beleidigende Beschuldigung, als Vorwurf für Dummheit
und Nachlässigkeit, was keiner gerne annehme. Vielmehr solle man im kleinen,
intimen Kreise, etwa am Stammtisch, auf diplomatisch kluge Weise die Vorschläge
anbieten und zum Widerspruch reizen. Sicher wird der eine oder andere mit
einem Versuch, wenn auch nur für sich insgeheim, beginnen. Es sei besser, wenn
der Bauer aus eigener Anschauung eine fortgeschrittene Ackerbaukultur kennen
lerne als aus dem Kalender. Darum wurden junge, aufnahmefreudige Bauernsöhne
auch in unserem Oberland ausgesucht und ins Ausland geschickt, oder auf den
heimischen, herrschaftlich eingerichteten Mustergütern, wie auf dem Brödlin-Hof
in Blansingen, ausgebildet zu werden. Der Lörracher Burgvogt Sonntag riet sogar
der Regierung, ausgediente, geeignete Soldaten aus Oberländer Höfen bei Unterländer
Musterhöfen für den Gemüsebau auszubilden, vor allem um sie mit dem
Anbau von Handelsgewächsen, der „weißen Böhnli, Weißkraut, Erbsen, Linsen und
Welschkorn" vertraut zu machen.
Grundlegend für die angestrebte Verbesserung und Intensivierung des Ackerbaus
im Rahmen und Rhythmus der bisherigen Dreifelderwirtschaft war die Füllung
der Brache mit Klee, Rüben, Kartoffeln, Welschkorn und Heidenkorn,
was ganz natürlich auch eine verbesserte Viehhaltung und -zucht anstrebte und
damit die intensivere Nutzung des vorhandenen Grünlandes und die künftige
Schonung des Waldes. Auf keinen Fall durften fortan öde Felder — Egerten —
mehr ungebaut liegen bleiben, sie mußten umgebrochen und bepflanzt werden.
An allen Orten wurde der Nahrungsstand offenbart; danach wurde beraten
und geplant, wie etwa — beispielhaft — in Brombach (1760) in dessen
Gemarkung insgesamt 1 561 Parzellen gezählt wurden; auf den 3 Zeigen Ackerfeld
mit etwa der gleichen Größe von je 180 Jucherten, zusammen ca. 200 ha
konnte sich das Dorf nur ungenügend mit Brotfrüchten selbst versorgen. Der Burgvogt
Sonntag rechnete, daß die 460 Einwohner nicht ausreichend Brot hätten,
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