http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1976-01-02/0054
Landbevölkerung als eine Verbesserung der Wirtschaft und eine Konsolidierung
der staatlichen Macht. So steht im Brockhaus-Konversationslexikon von 1832:
Die Ablösung der Grundeigentumsbelastung ist ebenso sehr „durch die Forderungen
der strengen Gerechtigkeit als durch die Staatsweisheit, ja Notwendigkeit
geboten. Macht und Wohlstand eines Staates beruhen vorzüglich auf dem Dasein
eines zahlreichen Standes reicher Landwirte, welche wohlhabend genug sind, um
nicht von aller Bildung ausgeschlossen zu werden und nicht alles Selbstgefühl zu
verlieren. Von Sklaven ist keine . . . Liebe zum Vaterland zu erwarten." 10
Die wirtschaftliche Freiheit der Bauern bestand in der freien Nutzung des
Eigentums u.
Eine nicht geringe Anzahl von Gesetzen und Verordnungen regulierten im
Großherzogtum Baden die bäuerlichen Verhältnisse. Die meisten dieser Gesetze
traten zwischen 1805 und 1848 in Kraft12.
Zwischen Absichtserklärungen der Regierung und dem Inkrafttreten entsprechender
Gesetze lagen oft mehrere Jahre. Besonders in den Gebieten, die in der
sogenannten napoleonischen Ära dem badischen Staatsgebiet einverleibt worden
waren.
b) Gerichtsherrschaftliche Bindungen
Für die bäuerliche Bevölkerung bedeuteten die Rechtsbindungen aus Gerichtsund
Vogtsherrschaft bestimmte Abgaben und Dienste, welche die bäuerliche Wirtschaftsführung
nicht wenig beeinflußten. Abgaben an den Gerichtsherren waren
z. B. die Abzugsgebühren, die Untertanen zu entrichten hatten, wenn sie aus
einem Gerichtsbezirk in einen anderen ziehen wollten oder wenn sie Vermögen
aus einem Gerichtsbezirk veräußern wollten. Die Höhe des Abzugsgeldes betrug
an den meisten Orten 10 °/o des Vermögens 13.
Schwerwiegender für die bäuerliche Wirtschaftsführung als solche Abgaben
und Gebühren 14 waren die gerichtsherrlichen Frondienste, welche die Untertanen
zu leisten hatten. Meistens waren diese Frondienste zeitlich ungemessen, mußten
also so lange geleistet werden, bis eine bestimmte Aufgabe erfüllt war, bis z. B.
eine Straße, Brücke oder ein Schloß gebaut war. Da der Gerichtsherr die Tage,
an denen diese Frondienste zu leisten waren, festlegen konnte, wurde — etwa in
Erntezeiten — die bäuerliche Wirtschaftsführung nicht selten erheblich gestört15.
Der Aufhebung der Frondienste war in vielen Fällen die Umwandlung von
Fronleistungen in Geldabgaben vorausgegangen 16. Solche Umwandlungen dienten
nicht selten dem Vorteil des Herrn, denn durch die Frongeldleistungen konnten
Lohnarbeiter eingestellt werden, die ihre Arbeit intensiver und sorgfältiger verrichteten
als Fronarbeiter. Arme bäuerliche Untertanen, die — im Gegensatz zu
Hofbauern — ihre Arbeitszeit nicht unbedingt zur Bewirtschaftung eines landwirtschaftlichen
Betriebes benötigten, litten unter Frongeldleistungen mehr, als
unter persönlichen Frondiensten. Sie fanden in schlechten Jahren keine Verdienstmöglichkeiten
mehr; sie konnten auch nicht mehr auf Entgelt bei Fronleistungen
hoffen, mußten aber Frongeld entrichten 17.
Im Bodenseeraum mehren sich nach 1810 Nachrichten über frongeldverwei-
gernde Untertanen; vielleicht war es der Einfluß französischer Soldaten, die auf
ihren zahlreichen Durchmärschen um 1800 die „französische Freiheit" propagierten
?
1820 wurde in Baden die Fronablösung möglich. Wünschten die Untertanen
Ablösung, so hatten sie eine bestimmte Entschädigungssumme an ihre Herren zu
bezahlen. Ein Gesetz von 1832 schrieb in Baden endgültig die Fronablösung vor 18.
Bei der Fronablösung mußten Bauern eine bestimmte Summe an den Fronberechtigten
bezahlen, wobei allerdings die Staatskasse die Hälfte übernahm. Die
meisten Ablösungen fanden in den Jahren 1832 bis 1838 statt19.
52
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1976-01-02/0054