http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1976-01-02/0074
Zum Erholungswert der Landschaft
Während der Produktionswert der Landschaft als Ertragswert, der sich aus
der zweckmäßigen Nutzung ergibt, mit realen Werten bestimmt werden kann, ist
die Beurteilung des Erholungswertes auch abhängig von irrationalen Faktoren, die
als solche nicht so leicht wie die Faktoren des Produktionswertes zu erfassen sind.
Das Nebeneinanderstellen von Produktion als realer Wert, und Erholung als
irrealer Wert, ist schließlich das alte Problem der Koordinierung von Körper und
Geist, wobei beide Komponenten gleichrangig und möglichst miteinander verbunden
sind. Es wird dabei eingeschlossen, daß die Erholung neben der Gesunderhaltung
des Körpers auch die Gesunderhaltung der Psyche, also der geistigen
Haltung des Menschen — seines Wesens — bedeutet. In bezug auf letzteres besteht
schließlich Veranlassung genug, daß der Landschaft ein bedeutender Wert als
Erholungsraum zugesprochen werden muß.
Die Landschaft ist schließlich als Erholungsraum die Pflegestätte von Körper
und Geist. Sie hat als solche gegenwärtig eine Bedeutung erreicht, die sie in dieser
Art vordem noch nie gehabt hatte. Dies beruht auf einem immer größer werdenden
Teil der wachsenden Bevölkerung, der in den mechanisierten und rationalisierten
Wirtschaftsprozeß eingeordnet wird und damit der Erholung in natürlicher
Umgebung bedarf.
Mit Betrachtung der gegenwärtigen Entwicklungsstufe und der Entwicklungstendenzen
ist die Sorge um die Bewältigung des Zivilisationsmülls als Umweltverschmutzer
und damit auch der Erholungslandschaft verbunden. Dies gilt in
gleicher Weise auch in bezug auf unsere landschaftlich gebundene Kultur bei der
bedrohlichen Einwirkung fremder Einflüsse.
Es mag hierzu ein Bekenntnis oder eine Erkenntnis von Hermann Eris Busse
stehen, als er einmal (1955) vielleicht ahnungsvoll sagte: „Alle Stände des Volkes
müssen sich darüber einig sein, daß sie bewußt oder unbewußt vom Geist und der
schöpferischen Kraft der Heimat mitexistieren." Dies ist verquickt mit dem
historischen Bewußtsein und dem Pflichtgefühl zur Erhaltung und Förderung der
Volkskunde und des Denkmal- und Naturschutzes.
Das Bild der Heimat
Jedem ist das Bild seiner Heimat in seinem Gefühl verankert mit allem, wie
es die Naturkräfte entstehen ließen und mit allem, wie es die Menschen in vielen
aufeinanderfolgenden Generationen gestaltet und ausgestattet hatten. Mit dem
Blick von der Ebene nach Osten zu der Bergkette des Schwarzwaldes, mit dem
Blauen als Vorposten, der baumlosen, kahlen Kuppe des Belchens dahinter, bis
zum Schauinsland, als Rahmen und Kulisse im Hintergrund. Mit dem Blick von
den Bergen, mit der Schau über's Land bis zum doppelten Strang des Rheines,
ist auch die oberelsässische Rheinebene bis zu den Vogesen im Bild. Der Rhein
bildete als politisch starre Grenze lange Zeit ein Hindernis zur Verständigung
des gleichartigen Volkstums mit der gleichartigen alteingesessenen Sprache auf
beiden Seiten. Nachdem die politische Grenze ihre Bedeutung zum Teil verloren
hat, hat sich manches geändert. Dies betrifft hauptsächlich die Stellungnahme zu
Einrichtungen verschiedenster Art, die sich beiderseits positiv oder negativ auswirken
können. Es bedarf jedoch, wie uns allen bewußt werden sollte, der größten
Anstrengungen, den Erholungswert unserer Landschaft im Oberrheinraum neben
der weiträumig vorgesehenen Industrialisierung des Bereichs zu erhalten.
Zur Schau in's Land nehmen wir unseren amerikanischen Gast aus Pennsylvania
mit auf die Wege unserer Heimat. Er soll uns sagen, was er denkt und
meint über alles, was er sieht, hört und erlebt, als Antwort auf unsere eigene
Gewissensfrage. Es mag die Weinstraße sein, auf der wir uns durch das liebliche
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