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rungenschaft der Gemeinde gewürdigt. Ursachen und Beweggründe des planmäßigen
Rebenaufbaus, die in ähnlicher Weise wie in Pfaffenweiler überall wirksam
werden, ergaben als stolze Bilanz eine vollkommene Neuordnung des Weinbaus
im ganzen Markgräflerland.
Zur Erklärung der Eigenart der Bilder der Heimat, die sich in vielen Dingen
im gemeinschaftlichen Wesenszug gleichen, dient die Betrachtung des geschichtlichen
Werdegangs im Lauf der Zeiten. Dies beruht immer auf dem Verhältnis des
Menschen zur Natur seiner Heimat, in die er geboren ist und in die er hineingewachsen
ist. Da wir uns dabei auf alte Traditionen und Entwicklungsstufen berufen
können, bereitet doch folgende Bemerkung ein besonderes Vergnügen, mit
dem auch unser Gast einverstanden ist: „Ein weiser Kenner dieser Welt sagte einmal
: Man sollte in Europa leben, wo guter Wein wächst und die Römer waren."
Mit dieser Empfehlung könnten wir zumindest ein Stück dessen bieten, was der
Mensch zu seiner Erholung braucht; denn guter Wein wächst überall im Vorderen
Markgräflerland und die Römer waren einstens dort auch überall.
Es wäre damit ein wesentliches Element der Landschaft für alle, die als Gäste
zu uns kommen, erfüllt. Der Wein belebt Herz und Sinne, und ein Rebberg ist
der Schauplatz des Hoheliedes Salomons.
Siebt und Sinn
Bei einem zünftigen Glas Markgräfler berühren wir noch einmal problematisch
mit unserem Gast die Gefühle, welche uns auf der Fahrt durch die Bilder der
Landschaft bewegt haben. In unserem eigenen Bewußtsein und in der Anschauung
der Veränderungen, welche sich im Laufe der Nachkriegszeit im Bild der Landschaft
ergeben haben, mögen wir selbst zu abfälliger kritischer Stellungnahme
geeignet sein. Wir wollen wissen, was unser Gast dazu meint. Er berichtet uns, daß
er selbst aus dem Wolkenkratzerviertel von Manhatten-New York, wo er wohnt
und arbeitet, an den Wochenenden so schnell wie möglich in sein heimisches Pennsylvania
auf die Farm von seinen deutschstämmigen Eltern hinüberwechselt.
Er beginnt zu schwärmen, was ihm die Farm an Erholung alles bietet, im
Umgang mit ihrer Viehhaltung, den Pferden, Rindern, Hühnern, Enten, Gänsen,
den Perlhühnern und den Hunden, die ihn bei seiner Ankunft begrüßen. Er
schwelgt auf seine Weise in seligen Erinnerungen an seine Farm, wo er aufgewachsen
ist, in einem Haus neben den Wirtschaftsgebäuden, inmitten der weiten
Feldfluren; wo kein fremder Verkehrslärm oder kaum ein Hundegebell von der
nächsten Farm zu hören ist.
Unser Amerikaner hat damit gesagt, daß in der gegenwärtigen Entwicklungsphase
aller hochzivilisierten und industrialisierten Länder immer mehr Menschen
sich nach Erholung in natürlicher Umgebung sehnen und diese auch brauchen. Die
landwirtschaftliche Bevölkerung ist im Verlauf der Nachkriegszeit in rascher
Folge, sowohl bei uns als auch in Amerika, auf einen Anteil an der Gesamtbevölkerung
unter 10 Prozent abgesunken. In dieser Minderheit muß sie den
anderen in ihrer Kulturlandschaft genügend Erholungsmöglichkeiten bieten.
Vergleiche hierzu bieten sich an oder werden direkt herausgefordert, wenn wir
den Erholungswert geschlossener Hofgüter mit ihrem größeren Spielraum, vergleichbar
mit den amerikanischen Farmen neben dem Erholungswert der Dorfsiedlungen
mit den Wirtschaftsgebäuden im Ortsetter beurteilen wollen. Wir
halten die Einzelhofstelle vielleicht nicht nur produktiv für besser als das
Dorf, sondern mit dem „Urlaub auf dem Bauernhof" auch besser geeignet als
Erholungsaufenthalt.
Unser Gast schwärmt aber über das Bild unserer schmucken Dörfer, zu welchen
immer eine Kirche gehört, die an möglichst exponierter Stelle mit ihrem Turm
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