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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
38.1976, Heft 1/2.1976
Seite: 118
(PDF, 32 MB)
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festgehalten, daß diese der Landwirtschaft verpaßte ,Spritze' von außen kam.
Dafür zeugt auch ein Ausspruch, den ich Ende der 20-er Jahre von einem
ökonomierat aufschnappte, als in den Dörfern im Markgräflerland da und dort
in Versammlungen die Bauern mit der biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise
bekannt gemacht wurden. Da sagte dieser Herr ganz offen: ,Jetzt habbe mir über
20 Jahr gebraucht, um dene Baure den Kunschtdünger aufzuschwätze — jetzt
komme die schon wieder un verrate, daß es auch ohne den geht.' — Nun — es
ging dann doch nicht, denn man hatte dem Bauer auch beigebracht, daß seine
Landwirtschaft kein Gottesgeschenk, sondern eine Produktionsstätte ist wie jede
andere auch. Allerdings geht diese Anschauung schon weiter zurück, ich glaube bis
zu den Merkantilisten vor ca. 200 Jahren, aber man hatte bisher kaum Mittel, die
man dem Bauer verkaufen konnte, um ihn auch in die gewerbliche Wirtschaft einzugliedern
.

Doch gehen wir zurück zum letzten Krieg: das war ja die einzige Zeit, wo es
der Bauer, sofern er zu Hause bleiben durfte, zu etwas brachte, denn die Nahrung
stand in unserem Lebensstandard wieder an erster Stelle. Es zeigte sich aber
auch — um diesen kleinen Nebeneffekt zu erwähnen —, daß der Tierarzt in den
Ställen viel weniger zu tun hatte als sonst, denn da Kunstdünger und Kraftfutter
knapp geworden waren, hörte man fast nichts mehr von seuchenhaftem Ver-
kalben und all den schönen Dingen, welche den Bauern Sorge machten. Da fällt
mir das Urteil unseres Tierarztes über unsere Hinterwälder Rasse ein: „Ja, die
Hinterwälder sind schon recht, die haben nur einen großen Fehler: die sind viel
zu gesund, da kann man doch als Tierarzt nicht leben davon!" — Nun, inzwischen
haben die Tierärzte ihre Kundschaft wesentlich erweitert und müssen mehr zu
Pekinesen, Goldfischen und anderen Luxusgeschöpfen fahren, als zu Kühen, denn
es gibt immer weniger davon. Nach dem letzten Krieg lag unsere Industrie völlig
darnieder, weil fast alles von Bomben zerstört war. Aber schon vor der Währung
tauchten auf dem Schwarzmarkt kleine Tauschgeschenke auf: zierliche Ölmühlen,
welche die Arbeiter im Hosensack aus den Betrieben schmuggeln konnten, im
Handelswert von einer Gans oder der entsprechenden ölmenge. Da ich ein
eigenes Wasserkraftwerk besaß, war ich nachts auch als ,ölmüller' tätig, was bei
der primitiven Vorrichtung schon einiges Fingerspitzengefühl erforderte. Immerhin
konnte ich einer Bäuerin, die — noch in der stolzen Nachkriegsart — mir
einen Kopf Salat ausspannen wollte, die rechte Antwort geben. Sie sagte nämlich:
„Gib mir seile Salot — Ihr hen jo doch kei öl zuem amache!" Ich hatte aber.
Doch bald nach der Währung gab es auch schon Schlepper, Schwarzwaldbauern
hatten auch schon Seilwinden von liegengebliebenen Panzern abmontiert und —
geschickt — wie die Schwarzwälder sind — zum Pflügen und Eggen eingesetzt. Die
Mechanisierung hatte begonnen. Die Waldbauern waren die ersten, die sich einen
Schlepper leisten konnten, aber bald zogen andere nach, auch wenn sie nicht
Stammholz gehortet hatten. Es würde zu weit führen, die Mechanisierung in allen
Einzelheiten zu schildern: der Bauer war zum Mechaniker geworden und zugleich
zum Einmannbetrieb verurteilt. Ja, darüber hinaus entstanden neue Gewerbe:
Lohnarbeiter, die im Sinne der Arbeitsteilung von Hof zu Hof fuhren, um
Arbeiten zu verrichten, deren mechanische Erledigung für den Einzelbetrieb mit
eigener Maschine zu teuer geworden wäre, z. B. Mähdrescher, Kartoffelerntemaschinen
, Maishäcksler, Rübenernter, Strohpressen usw. So wurde der Bauer
mehr und mehr zum Unternehmer, der Lohnarbeiter im Stunden- oder Akkordlohn
beschäftigte, Maschinen investierte, einen hohen Aufwand an Dünge- und
Futtermitteln, Schädlingsbekämpfungsmitteln hatte, kurz gesagt: eine kaufmännisch
-technische Grundhaltung repräsentierte. Nur eines hatte er nicht von dem
technischen Leitbild übernommen, das ihm mit der Technisierung gegeben war:
die Kalkulation. Während der Fabrikant alten Musters seine Produkte kalkuliert
nach Material, Lohn, Unkosten, Gewinn, blieb der Bauer nach wie vor bei dem
alten System, nämlich zu nehmen, was man ihm freiwillig gab. Dadurch ent-

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