http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1976-01-02/0121
Die Heimat des Verfassers
auf dem Simmelibühl
Mit „86° noch am Steilhang
stand eine fatale Situation: mit teurem Werkzeug ein billiges Produkt herzustellen
. Natürlich ist es nicht möglich, in einem so komplexen Betrieb wie einer
Landwirtschaft Einzelkalkulationen aufzustellen, aber insgesamt gesehen, entstand
die groteske Situation, daß der Bauer genötigt wurde, Werkzeuge zu benutzen,
an denen der ganze Ballast unserer Wohlstandsgesellschaft klebt (wie Lohnfortzahlung
im Krankheitsfall, 13. Monatsgehalt, bezahlter Urlaub usw. usw.), während
er selbst von den meisten dieser sozialen Errungenschaften ausgeschlossen ist, denn
für ihn hat der Tag noch immer mehr wie 9 Stunden, die Woche 7 Tage, und
das Jahr allerdings nur 12 Monate. Es ergab sich so, daß der Bauer bei den
geringen Preisen mehr produzieren mußte als bisher, d. h. er seinen Betrieb
vergrößern (,aufstocken') mußte, um die Unkosten decken zu können. Man
könnte bildhaft sagen: der Bauer arbeitet mit goldenem Werkzeug, um billige
Massenware herzustellen, für die es an Absatz fehlt. Auf höherer Ebene wiederholt
sich das Bild, denn was für den Einzel-Landwirt die Abhängigkeit von der
Industrie, das ist für die Gesamtheit unserer Landwirtschaft die E.G., die dann
das zu viel Produzierte auf recht kostspielige Art wieder vernichtet. Doch soll hier
auf dieses Thema verzichtet werden, da es zu undurchsichtig ist, um auch nur
annähernd in einem dicken Buch dargestellt zu werden. Die Lage des Bauern
zwischen Natur und Maschine hat einmal ein Markgräfler Bauer, der als einer
der ersten meiner Heimatstadt einen Schlepper beschafft hatte, kurz und treffend
ausgedrückt. Als ich ihn einige Jahre später nach der ersten Freude und Bewunderung
des Fahrzeugs wieder besuchte, sagte er nur: „I will Dir öbbis sage: mir
schaffe numme no für de Charre!"
Die Umstellung der Landwirtschaft auf wenig Menschen, aber viel Maschinen,
hat natürlich auch soziale Aspekte mit sich gebracht. Der Bauer ist in die Isolierung
und zugleich in den Streß geraten. Was früher von einer Gemeinschaft von
Menschen getragen wurde, das hängt jetzt an seiner Person allein. Wenn auf einem
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