http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1976-01-02/0128
Ziegen- und Schafherden da und dort eingesetzt, um eine Versteppung zu verhüten
. Es ist auch durch den Einsatz der Maschinen, unter anderem der Ladewagen
als letzter Schrei!, eine neue Flureinteilung im Kommen. War bisher das
dem Dorf zunächst gelegene Gebiet als Wiese und auch als Acker genutzt worden,
das entferntere als Weide, so setzt sich jetzt eine neue Einteilung durch: man
unterscheidet neuerdings zwischen „ladewagenfähigem" und anderem Land, so daß
auch nahe gelegenes Wiesenland heute schon zur Weide genutzt wird, wenn es
zum Mähen und zum „Holen" mit dem Ladewagen zu steil oder unzugänglich
ist. Die Lösung hat insofern Schwierigkeiten, als das ursprüngliche Weideland
wohl an vielen Stellen mit dem Ladewagen befahrbar ist, aber Gemeindeland ist,
und außerdem erst für den Mähbetrieb instand gesetzt werden müßte. Aber immer
mehr wird auch das Gemeinde-Weideland vernachlässigt, weil es sowieso unterbesetzt
ist durch die Verminderung der Viehbestände, und weil die Bauern eben
auf ihren eigenen, steilen Wiesen dazu noch eigene Weideflächen für ihr Vieh
einrichten.
In der Schweiz allerdings, wo die Bergbauern vom Bund ungleich mehr unterstützt
werden als bei uns, gibt es heute noch Alpen (Gemeinschaftsweiden), die
„überstoßen" sind, also überbesetzt. Dann müssen Tiere ausgelost werden, die auf
andere, weniger bestoßene, aber weiter entfernte Alpen ausweichen müssen. Bei
der Schafhaltung hat sich — speziell in unserem Ort — eine neue, zukunftsweisende
Form der Bewirtschaftung brachliegender Flächen etabliert: in einer
Schafhaltergemeinschaft, die aber zum großen Teil aus städtischen Mitgliedern
besteht und zur Zeit etwa 75 Mutterschafe betreut. Es wurden brachliegende
Flächen privater Besitzer für die Sommerweide eingekoppelt (zus. etwa 12 ha),
und außerdem werden in naher und weiterer Umgebung (Wiesental) Wiesen geheut
für den Winterbedarf, die sonst ebenfalls dem Wildwuchs ausgeliefert wären.
Mit Unterstützung der zuständigen Stellen (Landwirtschaftsamt, Weideinspektion)
konnte ein geräumiger Schafstall gebaut werden, wobei allerdings die umfangreiche
Arbeitsleistung fast ausschließlich von den Mitgliedern der freiwilligen
Arbeitsgemeinschaft geleistet wurde, ebenso wie das Einkoppeln der Weiden. Wenn
auch das Schaf als Trockenweider (in der Schweiz trifft man es erst von 2000 m
an aufwärts) nicht gerade das ideale Tier für den Schwarzwald mit seiner großen
Feuchtigkeit ist (Klauenkrankheiten, Parasiten), so ist doch in Aussicht genommen,
einen landschaftsgemäßen Typ heranzuzüchten. Der wirtschaftliche Erfolg ist
natürlich ebenso bescheiden wie in der übrigen Landwirtschaft, bzw. gar nicht
vorhanden, handelt es sich doch auch hier mehr um eine sinnvolle Freizeitgestaltung
. Bemerkenswert scheint mir aber die Tatsache, daß sich hier eine Entwicklung
zu vollenden beginnt, die schon vor Jahrzehnten begonnen hat. Durch die zunehmende
Landflucht, die in der jüngsten Zeit durch die Gemeindereform, Bildungsreform
usw. noch unterstützt wurde, sind unsere Dörfer entleert und unsere
Flächen vernachlässigt worden. Nun beginnen die Städter wieder auf das Land
zu kommen, ohne dabei materielle Gesichtspunkte im Auge zu haben, die Umkehrung
der Völkerwanderung hat begonnen! Gewiß ist die Sache noch zu jung,
um darüber ein Urteil fällen zu können. Aber es erhebt sich die Frage: weshalb
sollen nur die Bauern in ihrer Freizeit landschaftserhaltende Arbeit leisten, für die
sie keine Vergütung erwarten können? Es wäre z. B. durchaus denkbar, daß sich
auch Städter finden, denen das Handmähen Spaß macht und befriedigender ist
als auf Trimm-Dich-Pfaden in abstrakter Weise mit Holzklötzchen zu jonglieren
oder ihre Wohlstandsbäuche im Liegestütz abzuspecken. Das Mähen von Hand
ist wie kaum eine andere Sportart eine „allround-Bewegung", die fast alle Muskeln
unseres Körpers, dazu auch noch den Kopf selbst funktionieren läßt.
Darüber hinaus kann diese junge Gemeinschaft, die nebenher auch den Kontakt
zwischen Stadt und Land wieder festigt, richtungsweisend sein für eine künftige
Wirtschaftsart unserer Bergdörfer überhaupt. Eine Aufstockung der Betriebe
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