http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1976-01-02/0129
kommt hier nicht in Frage, das ist in den Tälern mit vollem Maschineneinsatz
möglich. Es gibt eben keinen Pauschalbegriff „Landwirtschaft", deshalb auch
keine pauschalen Lösungen. Hat man früher Prämien bezahlt für die Abschlach-
tung von Kühen, um die Milchproduktion zu drosseln, so bezahlt man heute bei
uns Prämien für die Vieh-Aufstockung, weil nur mit einer genügenden Anzahl
Tiere (wobei das Hinterwälder-Rind immer noch der Idealtyp ist!) die Landschaft
offen gehalten werden kann. Eine Rationalisierung durch Maschineneinsatz wirkt
sich hier, insgesamt gesehen, sehr irrational aus, wenn man bedenkt, wie viele
Motorfahrzeuge hier in den Bergen herumfahren, um die weit auseinanderliegenden
Teile und Teilchen zu bewirtschaften. Ein freiwilliger Zusammenschluß der
Bauern zu einer Arbeitsgemeinschaft (eine Art Kolchose mit liberalem Vorzeichen)
wäre hier, sachlich gesehen, das Richtige. Vorerst können es sich allerdings die
„Fabrikler-Bauern" leisten, ihren Maschinenpark aus eigener Kraft (jedoch nicht
aus der Landwirtschaft!) zu finanzieren, und sie geben ungern ihre Freiheit auf,
welche ihnen die Mechanisierung gebracht hat, und die von jeher jedem Bauern
das höchste Gut war. Gerade bei der Tierhaltung (es ist bei gemeinsamer Maschinenhaltung
schon schwer genug) ist es sehr schwer gemeinschaftliche Formen
zu finden, obwohl es hier Vorbilder genug gibt, man denke z. B. an das Älplerwesen
der Schweizer Bergbauern. Selbst die russischen Kolchosen haben die
kapitalistischen Formen der Landbewirtschaftung (USA: riesige Einmannbetriebe)
insofern überflügelt, als sie, wenigstens menschlich gesehen, erträglicher sind und
ein Lachen in froher, unbesorgter Gesellschaft noch möglich ist, denn es kommt
ja nicht so sehr auf den Ertrag an als auf die zu erfüllende Norm an Zeit.
Wirtschaftlich gesehen sind beide Formen gleich schlecht, und ertragsmäßig marschiert
— trotz Mansholt — immer noch das kleine Holland mit seinen Kleinbetrieben
an der Spitze der Nationen in bezug auf den Flächenertrag (pro Einheit).
Zum Schluß noch einen Blick auf die Auswüchse der Technisierung unserer
bäuerlichen Wirtschaft: man hat ja Zweige der Landwirtschaft bereits weitgehend
isoliert und zu reinen Fabrikbetrieben gemacht. So gibt es heute Hühnerfarmen,
d. h. Eierfabriken, in welchen die Hühner in unmenschlichen, „untierischen" Verhältnissen
in enge Drahtkäfige (Batterien) gepfercht, zum Eierlegen gezwungen
werden, Kälberfarmen, in welchen die springlebendigen Tiere ohne jede Bewegungsmöglichkeit
zur reinen Mast gezwungen werden, um ein bedarfsgerechtes
Fleisch zu liefern. Auch im Kuhstall hat man schon begonnen, die Schöpfung zu
korrigieren, indem man den Tieren die Hörner absägt oder abätzt. Man kann sie
dann gefahrloser in einem Laufstall halten, der weniger Arbeit macht, denn der
Mensch ist ja das teuerste und daher überflüssigste Wesen in der Landwirtschaft.
Aber bei einem Tier ist man mit solchen tierquälerischen Gewaltmethoden nicht
durchgekommen: bei unserem Hausschwein. Es reagiert auf solche Methoden
recht sauer, indem es einfach krepiert. In diesem Zusammenhang sei es erlaubt,
eine irrtümliche Anschauung über dieses Borstentier zu korrigieren, das ja heute
noch die Hauptnahrung unserer Schwarzwälder Bauern darstellt. Da wird gerne
von einem Saustall gesprochen, wenn man z. B. eine wenig saubere Wohnung oder
auch größere menschliche Zusammenhänge kritisieren will. Man vergißt dabei
ganz, daß der „Saustall" eine typisch menschliche Erfindung ist und keineswegs
von dem Schwein verantwortet werden muß, das als solches ein durchaus reinliches
Tier ist. Jeder Hochgebirgswanderer kennt die Schweineställe bei den Sennhütten
, welche großen Hundehütten gleichen und abseits der Ställe der Rinder
stehen. Sie sind piksauber und können jedem Wanderer, der in Zeitnot geraten
ist, als ideales Nachtlager empfohlen werden, zumal ihr kleiner Eingang leicht
mit einem Kleidungsstück verschlossen werden kann, und so auch in kalten Nächten
eine Übernachtung möglich ist (die Ställe werden ja nur wenige Wochen im Jahr
genutzt). Das Schwein denkt nicht einmal im Traum daran, seine Wohnung
irgendwie zu beschmutzen, das tut es nur, wenn ihm keine andere Wahl bleibt,
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