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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
38.1976, Heft 3/4.1976
Seite: 212
(PDF, 38 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1976-03-04/0030
Das ist schon eine beträchtliche Anzahl von vokalischen Phonemen, besonders
wenn man sich vergegenwärtigt, daß es Sprachen gibt, wie etwa einige Dialekte des
Eskimo oder des Arabischen, die mit den drei Vokalen ,'i, u a/ auskommen 32).
Auch das Französische bringt es nur auf sechzehn Einheiten, und das mit Recht
wegen seiner Musikalität gerühmte Italienische hat sogar nur vierzehn Vokale —
womit ich natürlich auch gleichzeitig festhalten möchte, daß Phonemreichtum oder
-armut einer Sprache kein Wertkriterium darstellt. Es ist eine Angelegenheit des
Systems und der Ökonomie.

Die obige Tabelle zeigt indessen ganz deutlich, daß im Hochdeutschen eine
Wechselwirkung zwischen Qualität und Quantität eines Lautes besteht und
daß die beiden Elemente sich gegenseitig bedingen. Ein sogenanntes geschlossenes
fi'J kann nur lang sein 33), wie z. B. in Wörtern wie Liebe, Schmied, wieder, Wien,
hier, gib usf. Das kurze ßl indessen kann nur offen sein: Lippe, Schmidt (Familienname
), Widder, Wind, Hirt, kipp usw. Das gleiche gilt für ly.l und lYl. Länge
impliziert größere Geschlossenheit, Kürze größere Offenheit des Vokals, z. B.
Hüte, grünlich, führen, Kühe gegenüber Hütte, gründlich, fürchten, Küche. Und
sinngemäß muß es auch für Iw.l und /vi gelten: Spur, Bruder, Schwur, Puder gegenüber
Spurt, Mutter, Wurst, Butter. Eine Störung des Systems findet sich nur bei
/e(:)/, das sich in einer Reihe mit nur offenen und kurzen Vokalen befindet, jedoch
offen und lang sein kann. Es hat seine phonologische Funktion, indem es etwa
Ehre/Ähre oder Beeren!Bären scheidet 34). 7a(:)/ wird je nach der Quantität weiter
vorn oder weiter hinten ausgesprochen, doch ist die Qualität phonologisch nicht
relevant.

Nicht alle deutschen Mundarten haben ein derart reich ausgebautes Vokalsystem
. Die Mundart von Plausen im Kreis Rößel soll mit 12 Vokalen auskommen,
die von Mannheim sogar nur mit 10 35). Das Alemannische jedoch hat — wenn
auch nicht in allen Gegenden — ein vokalisches Phoneminventar, das das hochdeutsche
erheblich übertrifft, indem es anstelle der fünfzehn Vokale nicht weniger
als dreiundzwanzig und anstelle der drei Diphthonge deren sechs aufzuweisen
hat. Dieser große Unterschied ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, daß das
Alemannische im Bereich der hochgelegenen Vokale doppelt so viele wie die
Schriftsprache aufweist. Wir erhalten demnach folgendes System 33):

a) einfache Vokale:

K0 y(0

1(0 Y(:)

e: 0:

£ oe
*(:)

b) Diphthonge:
Ia Ya

u(:)
v(:)
o:
o

a(0

OttJ

Dieses System ist durchaus symmetrisch, indem es in den mittleren Reihen Längen
und Kürzen genau scheidet, während es in den extremen beide Quantitäten
zuläßt. Der Hauptunterschied zur Schriftsprache findet sich jedoch, wie bereits
angetönt, im Bereich der hochgelegenen Vokale, wo wir anstatt der sechs hochdeutschen
Phoneme zwölf alemannische finden. Daß es sich hierbei nicht einfach
um stellungsbedingte Varianten eines und desselben Lautes handeln kann, da
sowohl Quantität als auch Qualität als unterscheidende Merkmale dienen, beweisen
die nicht seltenen minimalen phonologischen Oppositionspaare, wie z. B. die
folgenden, denen sich leicht weitere anfügen ließen:

a) Lange Vokale:

li'J [ri:s] 'Reis' ly.l [dy:r] 'teuer' lud [sturda] 'Staude'

11:1 [rl:s] 'Riese' fY-J [dY:r] Türe'/'dürr' h'J [stv:d] 'Stützpfosten'

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