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kontinentaleuropäischen Einwanderern in Nordamerika das Englische — kann in
keiner Weise unsere Rückführung jeder Sprache auf die Ursprünge der Menschheit
widerlegen. Denn Sprache ist nicht an ein bestimmtes Volkstum gebunden, und
die erwähnten Völker haben ja nur zugunsten einer fremden Tradition die eigene
aufgegeben: sie sind linguistische Adoptivkinder geworden.
(3) Auch konstruierte Sprachen, wie z. B. das Esperanto, stützen sich auf existierende
Sprachen — und wäre es nur durch die ungefragt vorausgesetzte menschliche Sprachfähigkeit
.
(4) Als Vulgärlatein bezeichnen wir die von der größtenteils fremdstämmigen Bevölkerung
in den Provinzen des römischen Reiches gesprochene Form des Lateins, die
natürlich von Gegend zu Gegend andere Eigenheiten aufwies.
(5) In puristischen Kreisen wird oft die durchaus falsche Meinung vertreten, daß das
Deutsche eine besonders ursprüngliche Sprache darstelle — als solche nur mit dem
Altgriechischen vergleichbar. Vgl. Ludwig Reiners, Stilkunst. Ein Lehrbuch deutscher
Prosa. München 1943, S. 13f. (Hier finden sich auch weitere Urteile über die deutsche
Sprache aus prominentem Munde, z. B. von Luther, Herder, Schiller, Fichte u. a.)
(6) 'Westgermanisch' ist ein rein linguistischer Begriff, der die sprachlichen Gemeinsamkeiten
einer Reihe von germanischen Stämmen bezeichnet, ohne daß hieraus Schlüsse
auf eine engere politische oder herkunftsmäßige Zusammengehörigkeit gezogen
werden dürften. Vgl. Friedrich Maurer, Nordgermanen und Alemannen, Studien zur
germanischen und frühdeutschen Sprachgeschichte, Stammes- und Volkskunde. Dritte,
überarbeitete und erweiterte Auflagen, Bern und München 1952.
(7) Die Aufstellung folgt weitgehend Adolf Bach, Geschichte der deutschen Sprache,
Neunte, durchgesehene Auflage, Heidelberg 1970. — Etwas verschobene Abgrenzungen
bietet Hugo Moser, Deutsche Sprachgeschichte, Sechste, überarbeitete Auflage,
Tübingen 1969.
(8) Die Akzentverschiebung auf die erste Silbe ist, wie Verners Gesetz beweist, in der
relativen Chronologie der germanischen Neuerungen ziemlich jung.
(9) Die Form lupus scheint ein Lehnwort aus einer andern italischen Sprache zu sein,
da sich sonst im Lateinischen der indoeuropäische Labiovelar ::"qw hätte halten
müssen.
(10) Vgl. Alfons Nehring, Die Problematik der Indogermanenforschung. In: Die Urheimat
der Indogermanen, hrsg. v. Anton Scherer, Darmstadt 1968, S. 402—405.
(11) Die Situation ist vergleichbar mit der des Rätoromanischen in Graubünden, wo die
internen dialektalen Unterschiede bis heute die Schaffung einer gemeinsamen Schriftsprache
verunmöglicht haben.
(12) Dennoch ist das Wort ursprünglich germanisch, genau genommen fränkisch. Es bedeutet
'völkisch, zum eigenen Volk gehörig' und steht im Gegensatz zu walhisk,
'welsch, galloromanisch, keltisch'. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist das Wort in einer
Grenzregion entstanden, wo das Bedürfnis bestand, die täglich wahrnehmbaren
Unterschiede zwischen den beiden Völkern auch in Worte zu fassen. Eine knappe
Zusammenfassung des Problems findet sich bei Hans Eggers, Deutsche Sprachgeschichte
I, Das Althochdeutsche. Reinbek bei Hamburg 1961, S. 33—46, weiterführende
Literaturangaben S. 277.
(13) Zwar hatte schon rund hundert Jahre früher Notker III. von St. Gallen die Wendung
in diutiscun in seiner Aristotelesübersetzung verwendet, doch führte er selber
den Ausdruck nicht weiter und fand auch keine unmittelbare Nachfolge. Vgl. Eggers.
a. a. O. 45.
(14) Allfällige mit dem Wort verbundene Wertvorstellungen betrafen nicht die Sprache,
sondern den Volkscharakter: Man saget sonst ins gemein, daß die Hochdeutschen
traeu-bestaendig, die Waeischen Libes-eifrig, oder schaehlsichtig, und di Franzosen
leicht-suennig sein. Wehr nuhn solches nicht glaeuben wuel, daß es wahr sei, dehr
verfuege sich nuhr hihr-haehr, und schaue diese drei maenschen-bilder, den Haerz-
waehrt, als einen Hohchdeutschen, den Eiferich, als einen Waeischen, und dise
Franzinne; gleichsam als einen dreifachen laebendigen entwurf diser drei Foelker-
schaften, mit bedachtsamkeit an. Wahrlich, er wuerd nicht laeugnen koennen, daß
Haerz-waehrt, als ein Hohch-deutscher, der aller-traeueste, aller-haerzhafteste und
aller-bestaendigste sei (. . .) Philipp von Zesen, Adriatische Rosemund, 1645, hrsg. v.
Max Hermann Jellinek, Halle a. S. 1899, S. 79.
(15) 1. Gotisch, 4. Jh. In: Gotische Grammatik mit Lesestücken und Wörterverzeichnis
von Wilhelm Braune, fortgeführt von Karl Helm, 16. Aufl. neu bearbeitet von
Ernst A. Ebbinghaus, 2. Druck, Tübingen 1961, S. 141.
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