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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
38.1976, Heft 3/4.1976
Seite: 229
(PDF, 38 MB)
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Hauptmotiv dürfte in der Verachtung des burgundischen Adels, und Karls d.
Kühnen vor allen, gegenüber den Bauern im allgemeinen und den Schweizer
„bouviers", den Kuhhirten oder Rinderknechten, im besonderen zu sehen sein.
In dieser Beziehung sind die Burgunderkriege durchaus eine Parallele zum flandrischen
Drama 15a).

3.3 Bauernkrieg. Ein allgemeiner Ärger über die Auswirkungen sprachlicher
Unterschiede bei uns wird im Bauernkrieg sichtbar. Einer der in der Literatur über
den großen Bauernkrieg von 1525 meist nicht erwähnten Artikel spricht dazu eine
harte Sprache. Vielleicht liegt es daran, daß er in den Kurzfassungen der 12 Artikel
nicht erscheint. Dennoch ist nicht anzunehmen, daß er den Historikern des Bauernkriegs
nicht bekannt wäre. Der Artikel steht z. B. in der ausführlichen Wiedergabe
der Bauernartikel in der Ryhiner'schen Chronik 1G) an 14. Stelle und lautet: „ein
yeder sol den andern belyben lassen in siner sprach und siner kleydung, oder er sol
gestraft werden als ein ungehorsamer." Hier ist nicht von sprachlichen Schwierigkeiten
die Rede, sondern von Intoleranz und feudalem, möglicherweise auch
intellektuellem Hochmut gegenüber der Sprache und der Kleidung der Bauern.
Vielleicht erklärt sich das Schweigen der Historiker aus dieser, für sie uninteressanten
Tatsache.

Wichtig ist hier auch der Gegensatz zwischen Volkssprache in der Form des
Dialekts und einer Hoch- und Amtssprache, die einen Herrschaftsanspruch vertritt.
Dabei wenden sich die Bauern gewiß weniger gegen die erst im Entstehen begriffene
deutsche Hochsprache, als vielmehr gegen die unverständliche Sprache der
Kirche und Juristen. Uber der Tatsache, daß die volkssprachlichen Bestrebungen
der Reformation neben den geistlichen Thesen und Reformen einen großen Einfluß
auf die Landbevölkerung ausgeübt haben, darf nicht vergessen werden, daß vor
allem die Bauern durch die Einführung des römischen Rechts mit einer fremden
Rechtssprache in ihrer eigenen Rechtssphäre auf das tiefste betroffen wurden 17).
In vielen kleinen Territorien wurden sie aus ihrer Stellung als Rechtsprecher in
der niederen Gerichtsbarkeit verdrängt. Während das alte Volksrecht in aller
Öffentlichkeit in der Sprache des Volkes und unter seiner Mitwirkung vor sich
gegangen war, wurde nun in Kammern, weitab vom Wohnort, von unbekannten
Leuten in unverständlicher Sprache verhandelt, es gab vermehrte, undurchsichtige
Instanzenzüge, die die Verfahren um Jahre verzögerten und dem kleinen Mann
unmäßige Kosten brachten und ein berechtigtes Gefühl der Unsicherheit, ja des
Mißtrauens erzeugten. Der Ruf der Bauern nach dem alten Recht, war auch der
Ruf nach der Volkssprache fürs Recht. Der Bauernkriegsruf nach der „Göttlichen
Gerechtigkeit" ist durchaus auch vom Recht her zu sehen. Es ist die ohnmächtige
Berufung auf eine höhere, über dem unverständlich gewordenen weltlichen und
kirchlichen Recht stehende Instanz, eine Berufung, die sich mit dem reformatorischen
Verlangen nach dem biblischen, göttlichen Wort in der Volkssprache, das
die Macht der verweltlichten Kirche in ihre Schranken weist18), verbunden hat.
Der reformatorische Rückgriff auf die Volkssprache muß die Hoffnung der Bauern
auf die Rückgewinnung des „alten Rechts" in einer Weise genährt haben, die
bisher noch nicht recht in Betracht gezogen wurde. Für diese, die bäuerlichen
Interessen aufs engste bedrängende Frage des alten Rechts und der deutschen
Volkssprache fürs Recht, hatten die Reformatoren kein Ohr, ja man muß bezweifeln
, daß sie dieses Bauernmotiv überhaupt erkannt haben. Wer hält wohl
heute die Bauernkriegsforderung nach Entfernung aller „doctores" aus dem
Rechtswesen und den Verwaltungen für etwas anderes als hinterwälderische
Skurrilität? Nein, die Bauern, das letzte Aufgebot gegen das römische Recht,
wußten sehr wohl, daß diese Doktoren, die ihre Hüte und ihre Fachsprache in
Bologna geholt hatten, die eigentlichen Zerstörer der alten Freiheiten des deutschen
Volksrechts und der Selbstverwaltung waren. Und daß sich in diesem
Kreis auch die Verachtung der Sprache des einfachen Mannes verbreitete.

3.4 Im einzelnen faßbar werden regionale Verständigungsschwierigkeiten erst
im Zeitalter des Buchdrucks, und zwar bei dem Buch, das die ersten Massen-

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