Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
38.1976, Heft 3/4.1976
Seite: 236
(PDF, 38 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1976-03-04/0054
werden. Es wird über die Versuchsanordnungen berichtet und zwar über Auswahl,
Herkunft, soziale Schichtung der Kindergruppen oder Schulklassen, über Bildung
von Gruppen zu Vergleichszwecken, selbst Intelligenzquotienten — deren Ermittlung
und Ziel für sich schon umstritten sind — werden festgestellt und berücksichtigt
. Die Ergebnisse der Untersuchungen sind Anlaß zu Vergleichen und
manchmal weitreichenden Schlüssen.

Soweit wir sehen, lassen diese Forschungen jedoch eine wichtige Komponente
außer acht, nämlich die schulischen Voraussetzungen und Hintergründe. Sie sagen
nichts über Herkunft und sprachliche Zuordnung der Lehrer, über das Lehrsystem
mit Klassenlehrern oder Fachlehrern, deren Ausbildung, die pädagogischen
und didaktischen Methoden im Deutschunterricht, ihre Lehrmittel und die
Lernmittel der Kinder oder den Ausfall von Schulzeiten. Und schließlich sagen
sie nichts über das Vorhandensein oder das Fehlen — und ggf. über die Art und
den Inhalt — von Anordnungen der Schulverwaltungen für den Deutschunterricht
mit dialektsprachigen Kindern usw. Ohne die Einbeziehung auch dieser
Grundlagen sind solche Untersuchungen nicht nur nicht vergleichbar, ihre Ergebnisse
fördern auch, so meinen wir, weniger „Sprachbarrieren" der Kinder
als Verständnisbarrieren der Lehrer zutage.

6 Schluß

Fassen wir zusammen. Sprachschwierigkeiten endogener Art, bedingt durch die
Natur des Dialekts, sind historisch nicht nachweisbar. Sie sind zeitbedingt seit
1945 sichtbar, wobei die exogenen, äußeren Einflüsse bei weitem überwiegen. Das
Dominations-ZSubordinationsproblem gegenüber Dialektgemeinschaften und das
sprachliche Domestikationsproblem gegenüber dialektsprachlichen Individuen sind
historische Tatsachen. Ihre Entwicklung seit 1950 hat es mit sich gebracht, daß das
eigentliche Problem im Verhältnis von Dialekt und Hochdeutsch, nämlich das
Dominationsproblem, in ein Scheinproblem, genannt Sprachbarrieren, verkehrt
wurde.

In Bezug auf die Dialekte ist der Begriff Sprachbarriere untauglich. Endogene
sprachliche Schwierigkeiten sind ein rein pädagogisches Problem. Keine Schulverwaltung
würde einen Fremdsprachen-Lehrer beschäftigen, der die Muttersprache
der Schüler des Landes nicht beherrscht. Nur im Verhältnis zu den Dialekten
ist dies an sich selbstverständliche Gebot nicht anerkannt.

Es bestehen jedoch im Verhältnis von Dialektsprechern und Hochdeutsch-
Sprechenden vor allem im Schulbereich gewisse Barrieren, die wie folgt beschrieben
werden können:

Hindernisse, die einerseits von den Schülern meist von selbst genommen werden
müssen und meist auch genommen werden, und die andererseits für die
Lehrer z. T. absolute, z. T. relative Schranken sind, je nach den sprachlichen,
pädagogischen und psychologischen Fähigkeiten, den guten Willen vorausgesetzt.
Schranken, die von der Kultusverwaltung entweder nicht erkannt oder bewußt
nicht abgebaut werden. 34 Die Anwendung des Hochdeutschen als Dominations-
und Domestikationsmittel verstärkt diese Schranken zu Lasten der Dialektsprecher
über pädagogischen und psychologischen Druck. Hinter solchen Schranken können
sich nachweisbare Vorurteile verbergen, sie können nicht nur zeitweilig ungerechte
, von ungleichen Chancen beeinflußte Beurteilungen ergeben, sie können
bei empfindlichen Schülern Widerstand und unnütze Gegenmaßnahmen, wie
Strafen hervorrufen, sie können aber auch bleibende Schäden verursachen,
(vgl. Anm. 1)

Dialekt ist nicht notwendigerweise eine „Sprachbarriere" oder „Schranke",
sondern ein für Viele unbequemes pädagogisches Problem. Die Verantwortung
dafür ist spätestens seit 1945 nicht mehr gesehen und wahrgenommen worden.

236


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1976-03-04/0054