Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
38.1976, Heft 3/4.1976
Seite: 242
(PDF, 38 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1976-03-04/0060
Bewegungen, seine Sinne und Wahrnehmungsfelder, seine Gefühle, sein Wollen,
Handeln, Denken, Raum- und Zeiterleben. Derartige ins Wesen der Mundart, in
ihren Kernbereich vorstoßende Untersuchungen erfordern viel Zeit und eine wohl
überlegte Methode, da die Ergebnisse nicht einfach durch unverblümtes Abfragen
erreicht werden könne, sondern aus einer Gesprächssituation herauswachsen müssen,
die der Abfrager mit viel Einfühlungsvermögen herbeiführen muß. Da in diesen
geistig-seelischen Bereichen die Mundart als Sprachschicht auch in der Umgangssprache
noch voll lebendig bleibt, kommt derartigen Untersuchungen gerade auch
in unserem badischen Bereich große Bedeutung zu; sie sind darüber hinaus sprachpsychologisch
und sprachsoziologisch interessant. In der Hinsicht sind auch Gassenwörterbücher
notwendig, nur dürfen sie nicht einfach Wörtersammlungen sein,
sondern die Ausdrücke müssen zusammen mit der Redesituation lebendig werden.

Soviel nur zum Thema „Achtung und Wertschätzung der Mundart, Bewußtmachen
ihrer besonderen Vorzüge" als die Grundlage für das, was ich nun als
praktische Wege der Mundartförderung andeuten möchte. Den Bereich der Schule
sparen wir zunächst aus.

Am leichtesten gelangen wir natürlich an die Leute heran, wenn wir sie zu
passiver Aufnahme bewegen, statt von ihnen gleich aktiven Einsatz zu fordern.
Mit anderen Worten: am Anfang steht die „Berieselung" durch Sendungen im
Rundfunk (der dafür leichter zu gewinnen ist als das Fernsehen, wegen des
regionalen Charakters), wobei die Stetigkeit des Tropfens auf den harten Stein
entscheidend ist, auch in der Presse. So hat z. B. der Glopfgaist (hier einmal nicht
der Freiburger, sondern der Basler Fridolin) in der „Nationalzeitung" bereits die
Tausendste Sprachglosse geschrieben, die nun einfach zur Sonntagsausgabe gehört,
wie das Amen zur Predigt. Eine Stufe höher liegen schon Theateraufführungen
und Dichterlesungen, zu denen die Zuhörer sich auf den Weg machen müssen: das
ist mehr als Andrehen eines Knopfes. Ein weiterer Schritt mit der Verpflichtung,
mehrmals zu erscheinen, sind Mundartkurse an Volkshochschulen. Sie sind in verschiedenen
Städten der Schweiz üblich und werden in Zürich auch besonders für
Ausländer eingerichtet, die sich assimilieren wollen. Für die Aufnahme ins Bürgerrecht
sind in Zürich Kenntnisse im Schweizerdeutsch erforderlich. Die Mundart
kann aber auch mit Erfolg in der Werbung verwendet werden, wenn z. B. die
Schlagzeile (der Slogan) in Mundart gegeben wird, die Erläuterungen in Schriftsprache
. „Fondue isch guet und git e gueti Luune". Der „Bund Schwyzerdütsch"
hat eine Sprachstelle geschaffen, die Auskunft erteilt, die Werbetecte auf ihre
Mundart hin überprüft und sie in die richtige Mundartorthographie umschreibt. Sie
erledigt im Jahre Hunderte von Anfragen und beschäftigt einen Professor im
Ruhestand, der als Häxebräng im Zürcher Tagesanzeiger Glossen verfaßt. Der
Rundfunk schreibt Mundartgedichte und Vorträge in gutes Schweizerdeutsch um,
wofür ein eigener Experte tätig ist. Gegenüber Life-Sendungen sind allerdings
Rundfunk und Fernsehen machtlos.

Aber diese Veranstaltungen setzen eines voraus: daß einer da ist, der in Mundartfragen
Bescheid weiß, der sagt, was richtig und falsch ist.

Nun hat es mit der Sprachrichtigkeit in der Schriftsprache wie in der Mundart
natürlich seine besondere Bewandtnis. Einerseits nimmt sie ihre Regeln vom
herrschenden Gebrauch her, wie er z. B. in einer Grammatik niedergelegt ist. Der
Gebrauch steht aber nie still, er wandelt sich und die Abweichungen, d. h. die
Fehler von heute, sind der Gebrauch von morgen. Doch gibt es in der Sprache
selbst Bremsen gegenüber einem Sprachwandel, der gewissermaßen alles einmal
Vorhandene in Frage stellte. Die Systemhaftigkeit der Sprache wehrt sich gegen
Eingriffe, die mehr als peripher sind, die alles ins Wanken bringen, denn Eingriffe
an der einen Stelle ziehen andere in Mitleidenschaft, an bestimmten lautlichen
Oppositionen aber hängen die Wortbedeutungen und ähnlich ist es mit den
Systemen der Flexion und der Syntax. Das Beharrungsvermögen ist stark, aber ein
Umbau ganzer Systeme als Folge lautlicher Neuerungen liegt ebenfalls im Bereich
möglichen Sprachwandels. So bleibt es trotz eines etwas schwankenden Bodens

242


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1976-03-04/0060