http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1976-03-04/0071
ließ. Demgegenüber dürften die Angaben über die Geburtsjahrgänge vor 1650
eher lückenhaft sein.
a) Schulbildung und Beruf
Die Liste 2 führt nicht ohne Grund die späteren Berufe der Schüler und die
der Väter, soweit sie bekannt sind, auf. Wo nichts steht, dürfte der Vater meist
Bauer gewesen sein. Wir finden Söhne und Töchter von
Hirten, Säuhirten (2, 23/7, 29, 178, 208, 380/1, 390)
Tagelöhnern (101, 2)
Bannwarten, Waidgesellen (234/7)
Strohschneidern, Gärtner/Vogelfänger (180/1, 267)
Wanderberufen (Glasträger) (344)
Sie sind ebenso zur Schule gegangen, wie die Kinder der Bauern.
Einige sind später wieder Hirten, Taglöhner, Näherin, werden Soldaten, aber
auch Mitglied des Gemeindegerichts (-Rats) (Nr. 394). 1666 führt Gmelin in der
Liste der Konfirmanden u. a. auf: „Simon Schonhawer spurius (ein uneheliches
Kind), dessen Vater zu Muttentz daheim, die Mutter aber, levis notae (als leichtfertig
bekannt) in Newenburg jezo verheurathet, ist bei Simon Hauri seligen,
dem Krumbholtzen (Wagner) zu Auggen erzogen und in die Schul geschickt
worden. Ist jezo 15 jähr alt und helt sich bey seiner Mutter Schwester, deß Simon
Hauris sei. Wittibin noch auf." Im gleichen Jahr sind weiter genannt:
„Hans Maurer, dessen Vatter Caspar Maurer zu Kirchen noch lebet, 16 Jahr alt,
kan schreiben und lesen, dient bei Hans Baschi Schantzlin" und:
„Hans Winther von Kirchen 16 Jahr alt, bey Claus Mehlin dienend, kan lesen",
und weiter „Margreth Hauwerin von Kirchen, Hans Hauris seligen allda filia,
18 jähr alt, bey Cunrad Heimben dienendt, kan lesen". Es ist zwar nicht bekannt,
wie lange diese letzten Drei in Auggen in Stellung waren, es ist aber wahrscheinlich
, daß sie ihre Schulkenntnisse bereits zuhause in Kirchen erworben hatten.
Von zahlreichen jungen Leuten, die die Schule besucht haben, heißt es, sie hätten
„ledigen Stands gedient". Etwa von Verena Meyer „3 Jahr zu Münster im Gebürg
jenseit Rheins gedient", also in Münster im Elsaß. Oder von Johannes, Sohn
von Hans Leininger dem Älteren von Auggen (geb. 18. 5. 1659) „dient zu
Egringen". Man hat damals schon gewußt, wo es etwas zu lernen gab. Zwei
Kinder des Küfermeisters Hans Jacob Merckt können lesen. Martin, auch Küfer,
nimmt fremde Kriegsdienste, Barbara (geb. 1673) „dient über Rhein", also auch im
Elsaß.
Man kann deshalb keineswegs sagen, die ländliche Schulbildung sei damals in
unserer Gegend eine Sache für „Privilegierte" gewesen. Sie wurde ganz offenbar
von allen Schichten angenommen, ja auch unehelich Geborene, die sonst leicht
diskriminiert wurden, waren davon nicht etwa ausgeschlossen. Ebenso wurde
die Schulbildung von den Leuten auch nicht als eine Art Vorzug empfunden.
Man hat eher den Eindruck, daß sie für manche Berufe damals schon eine gewisse
Notwendigkeit war, wenn einer vorwärts kommen wollte.
b) Weitung des Horizonts im Beruf.
Die Schwere der Zeit, die häufigen Kriege, mit denen unser Land überzogen
wurde, die dadurch ausgelösten Hungersnöte und Armut, die hohe Sterblichkeit
, all diese Umstände zwangen viele Leute, das Land zu verlassen und in
ruhigeren Gegenden nach Arbeit und „seinem Stücklein Brot", wie Pfarrer
Gmelin sagt, zu suchen, alles das tritt uns in diesen Dokumenten in großer Eindringlichkeit
entgegen. Wir sehen Kinder, Mädchen und Knaben, die schon mit
6 Jahren in die Fremde geschickt waren, um sich — vielleicht, wenn sie Glück hatten
, an einem vorbestimmten Ort, meist wohl erst irgendwo bei mitleidigen
Leuten — zu verdingen. Häufig wußten die Angehörigen über Jahre nicht, wo
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